Nun, seit Wochen geht mir im Kopf herum, was eigentlich in unserer Gemeinde los ist. Sagt mir doch glatt ein Gemeinderat, ich solle mich erst einmal um meine eigenen Familienverhältnisse kümmern, bevor ich am politischen Geschehen herummeckere. Natürlich machte mich das stutzig; ich brachte meine Bimslechner-Familienverhältnisse in Ordnung. Seitdem kracht es noch mehr.

Aber, ich hatte Zeit, über das Wort Geschehen nachzudenken. Darauf kam ich, als ich hörte, welcher Sprache sich einzelne Gemeinderatsmitglieder bedienen und vor allem sich bedienen lassen. Einer spricht von Zukunftsvisionen. Aha, gibt’s auch Vergangenheitsvisionen? Ein anderer benötigt für den einzigen Satz, er sei gegen etwas, fünf Minuten Referat. Gespickt mit Fragen, die er sich dann selbst beantwortet. Währenddessen bläst sich ein Experte auf, hebt dann nach Worterteilung ab und erzählt im reinsten Behördendeutsch, was wo unter welchen Paragraphen nicht und dann doch zu finden ist. Wird er dann vom nicht mit Paragraphen vertrauten, weil im richtigen Leben stehend, Zuhörer gefragt, was denn Inhalt des erwähnten Paragraphen sei, dann ist blankes Schweigen. So bedient man sich gegenseitig. Immerhin gibt es nun Leute, die diesem Geschehen allmählich einen Riegel vorschieben. Es hat den Anschein, aus dem Geschehen wird etwas, was nicht nur geschieht und sogar Hand und Fuß hat.

Da fragt sich nun der stille Beobachter, ab und zu mal einen Gemeinderat im Ort antreffend, wie lange braucht ein Prozess der Selbstheilung. Kann der nicht beschleunigt werden? Und prompt bist Du als in Formulierungsfragen geschulter und mit dem Brennglas Herumlaufender bei der Feststellung: Führung tut not. Wer also kann helfen? Hurra, ich hab’s. Die unabhängige Presse!

Seit Jahren immer die gleichen Leute dort an Bord, seit Jahren müssten die doch merken, wenn sie Beschlüsse der Sitzungen vergleichen mit dem, was in Protokollen steht, wie wenig von dem schlecht Formulierten davon verfolgt wird. Wie viel davon gar nicht aufgegriffen wird. Vermutlich, weil’s keiner merkt. Und weil auch keinen das Geschwätz von gestern interessiert.

Ich bin mal die vergangenen Jahre durchgegangen. Der Dritte Aufzug, die Lindemannstraße, die an Häuserwände angenagelten Holzkisten, die Parkuhren-Story, die Ergebnisse des Ersten Bürgerforums der Neuzeit, die Analyse der Sortimentspolitik unserer Großmärkte zum Schutz der Hallberger Allee und sonstiger Naturschutzgebiete… gewiss fällt mir noch mehr ein. Niemand macht sich die Arbeit, einmal in die Kiste mit abgelegten Plänen zu schauen.

Wenn jetzt jemand glaubt, ich wolle den Gemeinderat oder gar die Verwaltung meinen, der irrt. Ich meine den Leser, der sich das alles gefallen lässt. Und die Presse, die sich mit niemandem anlegen möchte. Die wird in fortschrittlichen Staaten wie Türkei, Ungarn, Polen derzeit donaldisiert.

Erst jüngst sprach ich einen Gemeinderat an und meinte, er sei schuld an dem unglaublichen Müllaufkommen. Bei Müll oder Gift zuckt schließlich jeder zusammen, bei Gift im Wasser auch, bei Bienen nicht mehr; vielleicht. Als ich ihm dann verklarte, ein Haushalt werfe monatlich 15 Kg Werbeprospekte umliegender Märkte und sonstiger Spezialisten weg, meinte er lakonisch, das sei doch nicht Gemeinderatssache und erklärte mich durch die Blume für hochgradig bekloppt. Bin ich aber nicht oder doch, denn ich schaffte es nicht, ihm klarzumachen, dass mit dieser Überversorgung der Bevölkerung durch Großmärkte oder Discounter der Tutzinger Gemeinderat in seiner irrwitzigen Politik die Ursache sei.

Jetzt schließt sich der Kreis. Der Rest des Bimslechner-Clans hält mich mittlerweile auch für bescheuert und meint, ich solle doch die Familie mit derartigen Erkenntnissen in Ruhe lassen. So werde ich nun einige Zeit die Regenbogenpresse lesen und dann auf eine Kreuzfahrt gehen, anschließend, also nach der Heimkehr, mich darüber freuen, in welch schönem Ort ich lebe. Was andere schon längst erkannt haben, allerdings einen Zaun um sich herum zogen, damit niemand merkt, wie weit das Erkennen bei denen schon gediehen ist. Ob Tutzing jemals auf die Idee gekommen wäre, dem alten Buchheim ein Domizil anzubieten?

Immerhin, in Sachen Hauptstraße geschieht etwas und eines Tages kann der Opa dem Enkel erklären, was für ein toller Hecht er, der Opa, doch gewesen sei. Glaubt er. Hat er doch das Geschehen in Tutzing beeinflusst und das Geschehen umgewandelt in einen Prozess, dessen Ziel er immer vor Augen hatte, damit eben etwas nicht geschieht. Ein Geschehen ist nämlich ein Ablauf von Vorfällen.

Mit etwas mulmigem Gefühl grüßt

JB

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