Ist es ein warmer oder ein kalter Wintergarten, also eine Terrassenüberdachung? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Bau- und Ortsplanungsausschuss (BOA) in seiner Sitzung am 21.07.2020 unter der Leitung der 1. Bürgermeisterin Marlene Greinwald. Während ein echter Wintergarten Bauraum und Abstandsflächen einhalten müsse und zu genehmigen sei, könne eine Terrassenüberdachung nach Artikel 57 der Bayerischen Bauordnung verfahrensfrei errichtet werden, so Bauamtsleiter Christian Wolfert. Die Ortsbesichtigung eines Hauses im Schorn zeigte, dass es eine Terassenüberdachung ist: die Mauer zum Haus ist unverändert geblieben, die Natursteinterrassenplatten, lediglich die Seiten der Überdachung sind eingefasst. Mit verschiebbaren Glastürelementen lässt sich der Wintergarten verschließen, im Winter wird es gleichwohl kalt bleiben. In diesem Sinne erteilte der Ausschuss seine Zustimmung. Dass im Ausschuss solche Kleinigkeiten diskutiert werden müssen, verwunderte doch sehr.

Weitere Punkte der Sitzung waren:

  • Einstimmig billigte der Ausschuss die 27. Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich „Kindertagesstätte an der Traubinger Straße 67“ und beauftragte die Verwaltung, die öffentliche Auslegung durchzuführen. Dies geht zurück auf einen Beschluss vom 15.01.2019  Der frühere Bauamtsleiter Klaus Menzinger hatte die Initiative mit dem Ziel, hier auf dem ehemaligen Standort der Container für Geflüchtete ein Sondergebiet von rd. 6.000 m² “für soziale Zwecke” auszuweisen. Der beauftragte Planer Dietmar Hörner trug nun die Änderungen konkreten Festlegungen vor. Wesentlich ist die Einbeziehung der Teilfläche Flurnummer 1295/46 als Sondergebiet „Soziale Zwecke“.
  • Konsequent einstimmig wurde der dazugehörige Entwurf zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 83 „Kindertagesstätte an der Traubinger Straße 67“ in der Fassung vom 21.07.2020 gebilligt und die Verwaltung beauftragt, die öffentliche Auslegung durchzuführen. Während im Süden die bereits errichteten Gebäude ein Pultdach aufweisen, wird im nördlichen Teil auch ein Satteldach möglich sein. Die Wandhöhe ist mit 5,15 Metern festgesetzt. Im Norden des Grundstücks hat der Planer einen (Schotter-)Parkplatz vorgesehen, der für den Bring- und Holverkehr der Eltern der Kinder genutzt werden kann, auch als Parkplatz für Nutzer der Loipe. Der geplante Wendehammer ist für den möglichen Ortsbus des ÖPNV vorgesehen.
  • Zur 4. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 „Zwischen Benediktenweg und Mozartstraße“ konnte der vorgeschlagene Billigungsbeschluss nicht gefasst werden. Architekt Dietmar Hörner stellt die geplanten Festsetzungen vor. So soll es fließende statt der bisher engen Baugrenzen geben. Ein Grünstreifen mit zu erhaltenden Bäumen in Ost-/Westrichtung ist vorgesehen. Es handelt sich um ein reines Wohngebiet. Vorgeschlagen wurde eine Erhöhung der Grundflächenzahl auf 0,28 mit eine maximal 50%igen Überschreitung für Garagen, Wege, etc. Dies entspreche in etwa dem Bestand einschl. eines Puffers. Der Gedanke der innerörtlichen Nachverdichtung sei im Entwurf enthalten, bestätigte der Architekt. Sache des Gremiums sei nun die Festlegung der Wandhöhe, um das Bauvolumen zu bestimmen. Dabei empfahl er die Oberkarte des Erdgeschossbodens als Bezugspunkt, was sich insbesondere in Hanglagen bewährt habe. In seiner Kalkulation für zwei Vollgeschosse errechnete er eine Wandhöhe von mind. 6,50 Metern. Anträge der Bauwerber lagen mit Wandhöhen bis zu 7,00 Metern vor. EIne Vorgartenzone von 5 Metern sei vorgesehen. Ratskollege Dr. Ernst Lindl wandte sich gegen eine aktuelle Festlegung und verlangte die grundsätzliche Diskussion, was in dem Gebiet zugelassen werden solle. Er sah in dem Entwurf auch eine Konzeptänderung gegenüber den bisher behandelten Bebauungsplänen. Die Bürgermeisterin lenkte ein und bezeichnete den Entwurf als ein Beispiel zum „Hintasten, was wir wollen“. Der Ausschuss hatte die Änderung in seiner Sitzung am 25.06.2019 empfohlen, der Gemeinderat war der Empfehlung am 30.07.2019 gefolgt. Hintergrund der empfohlenen Änderung des Bebauungsplans aus den 1990er Jahren sind die Anträge drei verschiedener Bauwerber, (1) einen Außenaufzug zu bauen, der den Bauraum überschreitet, aber nach der GRZ möglich ist, (2) ein zusätzliches Zimmer zu realisieren und (3) ein Grundstück insgesamt zu überplanen.
  • Der Bebauungsplan Nr. 78 „Ortszentrum Tutzing“, Teilbebauungsplan 2  wurde unter Einbeziehung der Beschlüsse mehrheitlich gebilligt und die Verwaltung beauftragt, eine erneute Auslegung vorzunehmen. Dem Beschluss voraus gingen die Ausführungen des gemeindlichen Planers zur mehrjährigen Entstehungsgeschichte dieses Bebauungsplans, der grob das Gebiet innerhalb von Hauptstraße, Marienstraße und Fischergassl umfasst. Ein Satzungsbeschluss war bereits am 26.03.2019 gefasst worden. Dabei blieb ein innenliegendes Grundstrück, das mit Obstbäumen und -sträuchern bepflanzt ist, frei von Bebauung. Dies wurde widerrufen in der Sitzung des Ausschusses am 15.10.2019: Baurecht auf der Obstbaumwiese. In der Abwägung war nun über die Einbeziehung zahlreicher Hinweise und Empfehlungen insbesondere des Kreisbauamts zu entscheiden, über Wünsche nach Mehrungen von Grundstückseigentümern und über die Stellungnahme des Bundes für Naturschutz. Letzterem wurde beschieden, dass die vier Bäume altersbedingt ihr Wuchsoptimum überschritten hätten und durch Neupflanzungen ersetzt werden sollten. Ferner sei die Überplanung privater Grundstücke als Grünfläche nicht wie vorgeschlagen möglich. Die Wünsche nach größerer Grundfläche sowie höheren Wand- und Firsthöhen, die von Eigentümern von Grundstücken in der zweiten und dritten Baureihe geäußert wurden, gingen nicht in Erfüllung. Im Kern ging es bei diesem Bebauungsplan um eine maßvolle Verdichtung der Bebauungsstrukturen entlang der Hauptstraße und in der zweiten Reihe unter Berücksichtigung des vorhandenen Baurechts und des Charakters der anschließenden Baureihen. Die verkehrlichen Belange (Zufahrten, Sichtdreiecke etc.) werden in Abstimmung mit dem Verkehrsplaner Benjamin Neudert direkt in der Planzeichnung dargestellt.
  • Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 48 „Beiselestraße“ wurde unter Einbeziehung der Beschlüsse einstimmig gebilligt und die Verwaltung beauftragt, die erneute öffentliche Auslegung durchzuführen. In der Abwägung waren die Hinweise und Empfehlungen von Trägern öffentlicher Belange berücksichtigt. Es geht um das Grundstück des ehem. Käfer-Museums, das in den zwei Varianten „Aufstockung und Erweiterung“ bzw. „Neubau von drei Einzelhäusern“ bebaut werden kann.
  • Einstimmig billigte der Ausschuss den Entwurf und beschloss die Änderung des Baubauungsplans Nr. 46 „Tutzing Nordwest – östlich der Traubinger Straße“, Teilbebauungsplan 9 „Ludwig-Behr-/Bockmayrstraße“ dahingehend, dass das Baufenster auf dem Grundstück Ludwig-Behr-Straße 4 in der Weise geändert wird, so dass die Firstrichtung des Gebäudes künftig eine West-Ost-Richtung aufweist. Den Entwurf wird der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München anfertigen.
  • Einstimmig beschloss der Ausschuss als Empfehlung an den Gemeinderat die 8. Änderung des Bebauungsplans Nr. 16 „Schnupfenwiesen“ für das Grundstück in der Bergwiesenstraße 7. Die Verwaltung soll beauftragt werden, mit dem Bauwerber einen Vertrag zur Übernahme der Planungskosten abzuschließen. Den Änderungsentwurf soll der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München erarbeiten. Schließlich soll der Gemeinderat das weitere Verfahren an den Bau- und Ortsplanungsausschuss übertragen. Der Bebauungsplan aus 1979 sei insgesamt zu überarbeiten und an die heutigen Vorgaben anzupassen. Im sog. „Briefmarkenverfahren“ wird nun die Änderung für ein Grundstück vorgezogen. Die Änderungsanträge des Bauwerbers zielen auf die leichte Erhöhung der Geschossflächenzahl GFZ, die zulässige Dachneigung, die maximale Traufhöhe und die bisherige Unzulässigkeit von Dachgauben. Die Anträge erschienen dem Ausschuss plausibel.
  • Die Anträge auf Baugenehmigung für drei gewerbliche Bauten in der Business Area Tutzing, westlich des Krankenhauses, wurden nicht weiter behandelt, weil sie zwar im Wesentlichen den Vorgaben des Bebauungsplans entsprechen, Kleinigkeiten jedoch nicht passen. Die Vorhaben werden in der Gemeinderatssitzung am 28.07.2020 behandelt. Es geht um folgende Bauvorhaben:
    • GE 3: Bürogebäude mit Tiefgarage an der Bahnhofstraße
    • GE 4: Neubau eines Hotels mit 130 Zimmern, 4 Konferenzräumen und Tiefgarage in der Mitte
    • GE5: Neubau eines Klinikgebäudes mit 90 Betten im Süden, als Erweiterung der P3-Klinik an der Bräuhausstraße
  • Für die 1. Änderung des Baubauungsplans Nr. 78 „Ortszentrum Tutzing“, Teilbebauungsplan 8.1 (Sanierung Mittelschule mit Mensa) wurde unter Einbeziehung der Beschlüsse gebilligt und die Verwaltung einstimmig beauftragt, ein erneutes verkürztes Auslegungsverfahren durchzuführen. Die erhaltenen Hinweise und Empfehlungen der aus formellen Gründen wiederholten Auslegung seien nicht schwerwiegend gewesen, so Bauamtsleiter Christian Wolfert. Bei exakt derselben Auslegung seien jedoch auch andere Einwendungen eingereicht geworden. Ratskollege Claus Piesch bat um Einbeziehung des Kreisjugendrings, dessen Vorsitzender er ist.
  • Gegen eine Stimme wurde dem Antrag auf Baugenehmigung zum Anbau eines zweigeschossigen Wintergartens im Oberanger 14 zugestimmt.  Das Vorhaben war nach § 34 BauGB zu beurteilen; für die erhöhte Grundflächenzahl gab es Referenzen in der Nachbarschaft.
  • Mehrheitlich wurde dem Antrag auf Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport in der Traubinger Straße 5 das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Das relativ kleine Gebäude (GR 85 m²) auf dem großen Grundstück von 2.404 m² war zustimmungsfähig nach Maßgabe des § 34 des BauGB und des „Rahmenplans Traubinger Straße“. Früher oder später, so die Bürgermeisterin, müsse man hier über einen Bebauungsplan die mögliche weitere Bebauung auf dem Grundstück regeln.
  • Einstimmig wurde der Antrag auf Baugenehmigung zum Neubau es Wohnhauses mit drei Wohneinheiten und Doppelgarage in Monatshausen genehmigt. Die ursprüngliche Plaqnung hatte der Ausschuss am 25.06.2019 als zu massiv abgelehnt. Die mit dem Kreisbauamt erarbeitete genehmigungsfähige Planung zeigte eine geringer Gebäudehöhe, reduzierte Balkone, den Verzicht auf einen Quergiebel und eine niedrigere Doppelgarage.
  • Mit knapper Mehrheit wurde den Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 74 „Bahnhofstraße/Bräuhausstraße“ für einen Carport in der Bräuhausstraße 10 zugestimmt. Anstatt eines festgesetzten Stellplatzes möchte der Bauwerber einen Carport errichten. Die isolierte Befreiung würde eine begrenzte Präzedenz für den östlichen Nachbar entfalten. Ohne Bebauungsplan wäre das Vorhaben verfahrensfrei zu errichten.

One Reply to “BOA: Warmer/kalter Wintergarten”

  1. Winter garden and Tutzing’s summertime
    Sind Verwaltung und Gemeinderat nicht angetreten, unternehmerisch verantwortlich und entsprechend tätig zu sein? Es genügt nicht, ganze Ortsbilder mittlerweile amerikanisch zu benennen. Es wird sogar amerikanisch entschieden werden. Nämlich schnell, präzise und zumeist erklärungsbedürftig.
    Jedes Unternehmen, ob analog oder digital geführt, schaut auf Effizienz und Effektivität. Tutzings analoge (dialoge) Ratssitzungen kümmern sich mittlerweile um jeden Kleinscheiß. Digital gesessen und diskutiert könnte an der Abschaltquote gemessen werden, wie unnütz derartige Diskussionen sind. Die schriftlichen Protokolle der Nichtoffiziellen zeigen das. Offizielle Protokolle liest eh keiner mehr. Ein Musterbeispiel jüngsten Datums ist der sog. Wintergarten, der im Winter kalt ist, weil er ja im Sommer genutzt wird.
    Wie kann man nur ein derartiges Peanut-Thema so aufblasen? Hat Tutzing nicht relevantere Themenstellungen, die immer noch zum Himmel stinken?
    Unternehmerisch zu führen bedeutet auch, klar zwischen Routinetätigkeiten und tatsächlich entscheidungsrelevanten Vorhaben unterscheiden zu können und nicht die kostbare Zeit der Gemeinderäte und Verwaltungsspitzen mit Themen zu belasten, die sie von ihrer eigentlichen politisch relevanten Arbeit abhalten.
    Die digitale Sitzung ist zwar klar wegentschieden worden. Zur Aufbesserung der Gemeindekasse wäre aber schon zu überlegen, Sitzungen übers Internet kostenpflichtig zu übertragen. Politisches Kabarett vom Feinsten ist jedem Zuschauer etwas wert; ein Bezahlsystem wird der Verwaltung bestimmt einfallen. Es muss nur der Auftrag erteilt werden. Aber nicht von den Grünen, die haben bereits eine Fahrkarte geschossen. Fulminant danebengelangt; sogar die CSU zeigte situativen Humor in der Angelegenheit, indem sie meinte, Beiträge Einzelner könnten dem staunenden Zuseher nicht zugemutet werden.
    HF

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