In den letzten Tagen war in der Presse zu lesen, der Tutzinger Gemeinderat entscheide am 3. Juli 2018 über einen Grundsatzbeschluss zur Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN). Grund genug, Anlass, Grundlagen, Ziele und Elemente eines solchen Grundsatzbeschlusses zu skizzieren.

Angesichts einer jährlichen Saldos von ca. 100.000 zu wenig gebauter Wohnungen, insbesondere im bezahlbaren Segment, muss die Devise lauten: Bezahlbaren Wohnraum schaffen. Sie ist eine der größten innenpolitischen Herausforderungen, der wir auch in Tutzing gegenüberstehen. Lt. Auskunft der Verwaltung in der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Werkausschusses am 16.05.2018 gibt es bei Sozialwohnungen eine Warteliste mit 450 Personen, davon rd. 50% Tutzinger.

Die Gemeinde als Träger der Planungshoheit ist in der Lage, Baurecht zu schaffen. Das Baugesetzbuch formuliert in § 1 Abs. 5 dazu: „Die Bauleitpläne sollen … eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten“. Im Zusammenwirken von Gemeinde und privaten Eigentümern sowie ggf. Investoren kann bezahlbarer Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung geschaffen werden. Der mit der Ausweisung von Bauland regelmäßig verbundene Wertzuwachs soll nach der Landesverfassung des Freistaats Bayern (Art 162 Abs. 2) auch dem Allgemeinwohl dienen: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen“. Dabei geht es nicht um die Abschöpfung von Planungsgewinnen sondern um die Entwicklung eines Instruments, um das politische Gestaltungsziel der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu erreichen.

Auf der Basis des bereits 1976 eingeführten Begriffs der Sozialgerechten Bodennutzung sind Baulandentwicklungsmodelle erarbeitet worden. Ein Grundsatzbeschluss dazu enthält zunächst das städtebauliche Ziel der Gemeinde, nämlich dafür zu sorgen, dass Grundstücke zu vergünstigten Konditionen für Wohnbebauung zur Verfügung gestellt werden. Dazu kann sich die Gemeinde folgender Instrumente bedienen:

  • Zwischenerwerbsmodelle – Dabei wird der Ausweis neuen Baulands davon abhängig gemacht, dass ein Teil der Fläche vorab an die Gemeinde – zum Bauerwartungslandpreis – verkauft wird. Diese Flächen werden dann zielgerichtet dem Wohnungsbau nach kommunalen Zielvorgaben zur Verfügung gestellt.
  • Modelle ohne Grunderwerb der Gemeinde – Bei kleinen Flächen kann die Gemeinde statt des Grunderwerbs auf vertraglichem Weg Baupflichten, Verkaufspreisobergrenzen oder Vermietungsvorgaben festsetzen. So kann die Gemeinde das Vorfinanzierungs- und Verwertungsrisiko vermeiden.
  • Erschließungsverträge – Die Erschließung der neuen Bauflächen muss gesichert werden. Die Refinanzierung der Kosten erfolgt nach dem Erschließungsbeitragsrecht.
  • Folgekostenverträge zur Finanzierung gemeindlicher Infrastrukturein-richtungen – Dabei handelt es sich um die Folgekosten der Neubebauung wie Straßenausbau, Anbindung ÖPNV, aber auch der Grunderwerb und der Bau von kommunalen Gebäuden etwa für Kindertagesstätten. Neben dem Ursächlichkeitsnachweis sind plausible Kostenprognosen erforderlich.

Bei allen Modellen gilt das Gebot der Transparenz, der Angemessenheit und der Gleichbehandlung. Städtebauliche Verträge sichern dabei die Ziele der Gemeinde rechtsverbindlich ab. Der Grundsatzbeschluss selbst hat nicht die Qualität einer Rechtsnorm, entfaltet aber Wirkung nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Abweichungen müssen vom Gemeinderat beschlossen und begründet werden. Ein Grundsatzbeschluss kann jedoch nicht alle Fälle abdecken, so dass die Möglichkeit der Einzelfallentscheidung bleiben muss. So zielt der Beschluss generell auf Flächen im Außenbereich ab, die Gegenstand neuer Bebauungspläne werden sollen; schwieriger sind Flächen, für die bereits Bebauungspläne existieren oder Grundstücke im unbeplanten Innenbereich.

Ein gefasster Grundsatzbeschluss ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage für private Grundstückseigentümer und Investoren, die wirtschaftliche Belastungen aus dem Grundsatzbeschluss einkalkulieren können. Er ist aus politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen zu empfehlen und schafft über das gegenseitige Vertrauen der am Entwicklungsprojekt Beteiligten die notwendige „Verlässlichkeitsgrundlage“, ohne die ein Baulandentwicklungsmodell zwischen Gemeinde und Privaten nicht gelingen kann.

 

Quelle: Bezahlbaren Wohnraum schaffen – Kommunale Instrumente der Baulandmobilisierung, DStGB Dokumentation Nr. 147, März 2018; Herausgeber: Deutscher Städte- und Gemeindebund, Bayerischer Gemeindetag, Becker-Büttner-Held Rechtsanwälte Consulting

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