Stopp im Gemeinderat für die Leitziele Tutzing 2030 – es soll jetzt also doch keinen unter Bürgerbeteiligung strategisch festgelegten Entwicklungsprozess für die Gemeinde Tutzing geben! Lediglich an dem von uns ebenfalls beantragten gebietsbezogenen Entwicklungskonzept ISEK (neuer Arbeitstitel der Gemeinde „Tutzing vom Bahnhof bis zum Seeufer“) will der Gemeinderat festhalten. Der Gemeinderat folgte in seiner außerordentlichen Sitzung am 11.10.2022 also dem Aufruf der Ersten Bürgermeisterin: „Die Leitziele brauchen wir nicht“. Das ISEK ist zwar ein guter Teilerfolg – für Tutzings nachhaltige Zukunftsgestaltung nach unserer Meinung aber zu wenig! Wir haben dem Gemeinderat daher den Entwurf eines Zukunftspapiers „Wofür soll Tutzing stehen?“ für ein gesamtgemeindliches Entwicklungskonzept vorgelegt (siehe unten im download). Dies sozusagen als ersten Aufschlag, um auch diesen (wichtigeren) Teil unseres Antrags vom 6. Mai 2020 (wieder) durchzubekommen. Im zweiten Aufschlag werden wir die breite Bürgerschaft informieren (siehe Einladung zum Info- & Ideenabend für Tutzings Zukunft). Jetzt aber der Reihe nach, was passiert ist:

Was ist der Hintergrund: Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung im November 2021 den Startschuss gegeben, sowohl für das Gemeindeentwickungskonzept (GEK) „Leitziele 2030“ als auch das Gebietsentwicklungskonzept (ISEK). Diesem Fundament für Tutzings Zukunftsplanung ging die Antragsstellung der TL vom Mai 2020 und ein kurz vor dieser Sitzung gestellter parteiübergreifender Antrag von neun Gemeinderäten voraus. Nach dieser Sitzung sollte die Verwaltung unter Einbeziehung des Gemeinderats die Ausschreibungsunterlagen für GEK und ISEK vorbereiten. Soweit so gut.

Was jetzt passiert ist: Knapp ein Jahr später wurde das gesamtgemeindliche Entwicklungskonzept „Leitziele 2030“ vergangenen Dienstag im Gemeinderat gestoppt! Die 1. Bürgermeisterin legte dem Gemeinderat in der außerordentlichen GR Sitzung am 11.10.2022 (wie schon in der ordentlichen Sitzung vom 04.10.2022) einfach erneut die (mageren) Ausschreibungsunterlagen lediglich für ein ISEK (gebietsbezogen auf „Tutzing zwischen Bahn und Seeufer“) vor und sagt dazu: „die Leitziele brauchen wir nicht“ – ohne sich die Mühe zu geben, dies zu begründen! Sie schließt also aus unserem Antrag den Teil  Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) „Leitziele 2030“ aus und übernimmt lediglich den Teil Gebietsentwicklungskonzept ISEK (der unter uns gesagt auch Leitziele enthalten wird – hier aber nur gebietsbezogene).

Was sagt der Gemeinderat dazu: Nachdem er sich noch vorletzte Woche erfolgreich gegen die Teilumsetzung des Antrags gewehrt hat, stimmt er ihr dieses Mal – mit Ausnahme von Gemeinderätin Stefanie Knittl (SPD) zu; ihr war der “Kompromiss” um das GEK zu wenig. Gemeinderat Dr. Behrens-Ramberg (TL) musste sich, nachdem er sich in der Woche davor noch im Schulterschluss mit mehreren Ratsmitgliedern befand, diesmal der überwältigenden Mehrheit beugen. Schließlich stimmte er den Ausschreibungsunterlagen zum ISEK zu: Er hatte zuvor die Beschlussvorlage für die Ausschreibung insofern als „Kompromiss“ aufgeweicht, als die Voruntersuchung zum ISEK auf die „gesamtgemeindliche Entwicklung“ auszudehnen sei. Er selbst gibt sich jedoch skeptisch, ob durch diesen „Fuß in der Tür“ des ISEK das GEK noch zu retten sei.

Was halten wir von dem „Kompromiss“: Aussicht auf Erfolg hat dieser nicht – denn das GEK „Leitziele 2030“ war von Anfang an von der Ersten Bürgermeisterin und der Verwaltungsleitung unerwünscht – wie unsere chronologische Dokumentation zeigt. Warum sollte die 1. Bürgermeisterin ihre Meinung ändern, nachdem sie jetzt knapp ein Jahr nach dem vom Gemeinderat errungenen Startschuss (macht)bewusst die Leitziele für Tutzing jetzt wieder abgewürgt hat? Dafür hat sie sogar einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung nicht gescheut, indem sie den Antrag der TL – trotz mehrfacher Aufforderung – nicht zur Abstimmung gebracht hat. In Tutzing geht man jetzt also bewusst den zweiten Schritt (bestimmtes Gebiet) ohne den wichtigen ersten Schritt (gesamte Gemeinde) gemacht zu haben. Das ist keine strategische Zukunftsplanung!

Warum macht der Gemeinderat plötzlich mit: In der Bürgerversammlung im Buttlerhof (16.05.2022) hat die 1. Bürgermeisterin noch den im November zuvor errungenen Wunsch des Gemeinderats wiedergegeben: „Hinzu komme das so genannte „ISEK“-Verfahren, ein Programm, das den Zugang zu finanzieller Städtebau-Förderung schaffen und gleichzeitig Bestandteil einer größeren Gesamtstrategie mit „Leitzielen“ für die Gemeinde sein soll.“ (Quelle: vorOrt.news). Sie selbst hatte noch bei den Kommunalwahlen 2020 betont, sie wolle „gerne zeitnah und in Zusammenarbeit mit den Bürgern an einem Zukunftskonzept für Tutzing arbeiten, in dem wir uns klar positionieren, wo wir hinwollen(Quelle: Tutzinger Nachrichten, Ausgabe 03 / März 2020). Seit vergangener Woche drängt die Bürgermeisterin aber wieder darauf, nur ein ISEK zu erstellen und sagt: „die Leitziele brauchen wir nicht“. Warum macht der Gemeinderat jetzt plötzlich mit und hinterfragt ihre Aussage nicht wenigstens kritisch? Es ist doch unstrittig, dass Gemeindeentwicklung einer Strategie und konkreter Handlungsziele bedarf. Jeder, der sich nur etwas mit (erfolgreicher) kommunaler Entwicklung beschäftigt, kann nachlesen, dass durch die Bank empfohlen wird, vorab Leitlinien für die Gesamtgemeinde zu formulieren. Natürlich sind solche Leitlinien kontraproduktiv, wenn man keinen für die Öffentlichkeit meßbaren und sich selbstbindenden Handlungsrahmen etablieren will – oder aus welchen Gründen auch immer nicht kann.

Wann vollzog sich der Richtungswechsel: In der Sitzung am Dienstag, 04.10.2022, bog der Gemeinderat den Versuch von Bürgermeisterin und Gemeindeverwaltung, die Ausschreibung (wie zuvor im November 2021) nur auf die Gebietsentwicklung (ISEK) zu beschränken, zum zweiten Mal erfolgreich ab (Wurf der Bürgermeisterin prallt auf Hinderniss im Gemeinderat). Dann folgte samstags darauf die nichtöffentliche Klausurtagung des Gemeinderats am 08.10.2022 (zu der sich Dr. Behrens-Ramberg frühzeitig entschuldigt hatte). Wenige Tage danach, in der außerordentlichen Sitzung am 11.10.2022, ging dann plötzlich die Beschlussvorlage vom 04.10.2022 durch – zwar ohne Begründung, dafür aber mit überwältigender Mehrheit, denn nur noch drei Ratsmitglieder legten sich für das GEK ins Zeug. Also mal wieder ein Tutzinger Klassiker: Intransparente Entscheidungsvorbereitung hinter verschlossenen Türen! 

Kein Interesse an Bürgerarbeit für Tutzing: Niemand hat in der Sitzung am 11.10.2022 auch nur ein Wort über das von engagierten Bürgern in vielen Monaten erarbeitete Zukunftspapier „Wofür soll Tutzing stehen?“ verloren (siehe unten pdf- download). Das Papier ist nach dem ersten Versuch am 04.10.2022, die Leitziele zu kippen, als klares Signal an den Gemeinderat versendet worden: Viele Bürger wollen ein GEK, wollen eine Vision, eine Strategie, damit in Tutzing auch die kommenden Generationen „gut“ leben können. Auch zeigt das Papier, dass ein GEK nicht so schwer ist. So hat auch ein Ratsmitglied noch im Herbst 2020 dafür geworben, dass Leitziele bis zum Frühjahr 2021 fertig sein könnten. Warum interessiert den Gemeinderat nicht, was ein von Hunderten Tutzingern anerkannter Bürgerverein zur Gemeindeentwicklung zu sagen hat? Da stecken über zwei Jahre ehrenamtlicher Arbeit für Tutzing drin – und der Gemeinderat zeigt daran kein Interesse. Schade, dass den gewählten Volksvertretern konstruktive Bürgerinteressen egal zu sein scheinen, wenn die Bürgermeisterin im Schulterschluss mit der Verwaltung ihre Interessen durchsetzt.

Unser Fazit – es bleibt mit dem ISEK ein beachtlicher Teilerfolg für die TL und den Gemeinderat und ein guter, wenn auch kein brillianter, Erfolg für Tutzing. Auch wenn jetzt das von uns beantragte Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) Leitziele 2030 gestoppt ist und unser über den Gemeinderat Dr. Behrens-Ramberg gestellte Antrag von der BM schlichtweg mies behandelt wurde, blicken wir positiv auf die Arbeit die jetzt kommt und freuen uns aufrichtig über die Befürwortung des Gebietsentwicklungskonzepts ISEK und die Erlangung von städtebaulichen Fördergeldern! Gerne werden wir uns hier weiter engagieren und unseren Bürger-Beitrag leisten.

Unsere Kritik aber bleibt: Die Behandlung unseres über den Gemeinderat der TL, Dr. Behrens-Ramberg, gestellten Antrags und das Beschlussverfahren darüber im Gemeinderat waren intransparent, ineffizient und regelwidrig und – besonders kritisch – von Anfang an unehrlich:

  • Es liegt seitens der 1. Bürgermeisterin ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung vor (Anträge sind spätestens innerhalb von 3 Monaten zur Abstimmung zu bringen) – über unseren Antrag wurde bis heute nicht abgestimmt, da dies von der Bürgermeisterin abgelehnt wurde – unfassbar! In den Tagesordnungen des Gemeinderats fand er seit 06.05.2020 überhaupt nur einmal Erwähnung.
  • Die Ausschreibungsunterlagen zum ISEK haben Bürgermeisterin und Verwaltung entgegen des Beschlusses vom 09.11.2021 ohne Einbeziehung des Gemeinderats erstellt. Der Beschluss selbst wurde – wie in der Sitzung vom 11.10.2022 klar wurde – von Verwaltung und Bürgermeisterin bereits mit dem Vorsatz formuliert, nur das ISEK zu machen.
  • Dem Gemeinderat wurden die Beschlussvorlage zur ISEK-Ausschreibung weder rechtzeitig  (nur 4 Std. vor Beschlussfassung) noch vollständig (lediglich 5 von insgesamt ca. 25 Seiten) vorgelegt. Dabei handelt es sich bei den vorgelegten Seiten der Ausschreibungsunterlagen um kein besonders gut ausgearbeitetes Papier. Da muss der Gemeinderat kritischer sein! Auch wurden allgemein nicht zutreffende Aussagen („GEK wird nicht gefördert“) des externen Beraters ungeprüft übernommen! Das Fundament für das ISEK (Ausschreibung) ist so völlig am Gemeinderat vorbei gegossen worden. Der Gemeinderat hat sich überrollen lassen. Das wäre ihm wahrscheinlich nicht passiert, hätte er im ersten Schritt das von uns und neun Gemeinderäten geforderte (und finanziell geförderte!) 1 1/2 tägige Seminar zum GEK/ISEK gemacht.
  • Die Bürgermeisterin hat mehrfach in öffentlicher Sitzung gesagt, dass die Bürger das Ergebnis beim ISEK entscheiden (zuletzt am 11.10.2022) – das ist ein falsches Versprechen. Nicht der Bürger entscheidet, der beteiligt sich zuvor lediglich mit seinen Wünschen und Ideen, sondern der Gemeinderat – vorausgesetzt natürlich er lässt sich nicht wieder von Bürgermeisterin und Verwaltung vor fertige Tatsachen stellen und überrollen.
  • Die Entscheidung gegen das Gemeindeentwicklungskonzept ist intransparent und ohne (öffentlich bekannte) Begründung gefallen. Die als „Kompromiss“ dargestellte Lösung ist wachsweich formuliert. Lassen wir uns also überraschen, ob sich der Gemeinderat doch noch dazu entschließen kann – gegen den offenkundigen Widerstand von Bürgermeisterin und Verwaltung – durch den errungenen Türspalt die Tore zu Tutzings Zukunftsplanung aufzustoßen.

Unsere Vorstellung von Zukunftsplanung geht so:

Download Visionen und Ideenfindung für die kommenden Generationen

Unsere Pressemitteilung finden Sie hier.

One Reply to “Zukunftsplanung für Tutzing gestoppt! – Dabei wäre sie gar nicht so schwer…”

  1. Kopfschütteln ist man in Tutzing ja mittlerweile gewöhnt. Aber ein solch empörendes Missachten von konstruktiven Teilen des Gemeinderats ist heftig. Hier scheinen viele Beteiligte einschließlich der Bürgermeisterin vor der Komplexität der Anforderungen zu kapitulieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert