Bewegung in der Diskussion zu einzelnen Aspekten der Handelsverträge:

Der Europäische Gerichtshof lässt mit seinem jüngst gesprochenen Urteil hoffen, Klarheit in die Argumentationslinien von Gegner und Befürwortern  zu bringen. In bestimmten Fällen haben Regierungen der Mitgliedstaaten nämlich nun ein Veto-Recht. Wie das jetzt im Detail von den Mitgliedern der EU-Kommission verstanden und gesehen wird, dürfte in den nächsten Tagen je nach Position deutlich angesprochen oder aber geschickt beschwiegen werden. Empfehlenswert ist das Verfolgen der Diskussion und der Kommentierung in der Tagespresse.

Aus sehr aktuellem Grund noch ein Blick auf ein Nachbarland:

An der Öffentlichkeit scheinen derzeit Entwicklungen vorbeizugehen, die schon etwas unter die Lupe genommen werden müssen. Die EU hat mit der Ukraine eine „Vertiefte und umfassende Freihandelszone“ beschlossen (Deep and Comprehensive Free Trade Area, DCFTA). Mit Zustimmung der Außenminister wird das Abkommen (zugleich auch mit Georgien und Moldawien) bereits angewandt, allerdings nur vorläufig, da die Mitgliedsländer noch nicht zugestimmt haben. So hat nun die Ukraine einen zollfreien Zugang zur EU. Begründet wird das seitens der EU-Kommission mit dem Vorteil niedrigerer Preise, höheren Wachstums, mehr Jobs, besserer Qualität und größerer Auswahl für Verbraucher durch verstärkten Wettbewerb. Belegbar ist das bislang nicht, schon gar nicht mit Zahlen.

Hier muss nun sehr genau hingesehen werden. Es besteht die Gefahr von Dumping-Importen aufgrund des enormen Lohngefälles (dort 2,80 Euro/Stunde, gegenüber z.B. Deutschland/Frankreich überaus attraktiv). Diese Art von Wettbewerb kann einem Wettbewerber das Genick brechen. Sozialstandards, Qualitätsstandards oder Umweltstandards werden kaum noch erwähnt. Sie spielen in der Ukraine kaum eine Rolle. Die Wachstumsraten dürften auch sehr einseitig sein. Nämlich dort, wo produziert wird, entsteht Wachstum. Die Ukraine ist ein großes Land mit z.B. Schwerindustrie und Agrarindustrie. Folglich importieren die politischen Handels-Experten mit ihrem Freihandelsverständnis mittelfristig Arbeitslosigkeit dorthin, wo sie jetzt schon zu Verwerfungen führt. Wettbewerb, Preisattraktivität und Wachstum sind von Bedeutung, müssen aber allen am Freihandel Beteiligten zum Vorteil gereichen.

Bei den kommenden Wahlveranstaltungen dürfen die Wahlkämpfer durchaus einmal gefragt werden, wie sie es mit dem Freihandel halten und wie konkret, und zwar in Zahlen gefasst, nun die Vorteile für uns, Deutschland-Bayern-Landkreis, aussehen.

Freihandel des Freihandels wegen und zwar dann als Ideologie, geht an den Menschen vorbei und führt zu der Arbeitslosigkeit, die völlig zu recht als Staatsversagen benannt werden kann und von einschlägig bekannten Experten zur Gestaltung deren Politik genutzt wird.

Die Stunde der Entdecker des Freihandels und der Privatisierung staatlicher Daseinsvorsorge dürfte in den nächsten Monaten sehr deutlich kommen. So gesehen ist es gut, dass mit den zurückgehaltenen Veröffentlichungen der Folgen eines Vertrages mit der Ukraine Stoff in den Wahlkampf geliefert wird. Damit wird auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit einen völlig anderen Stellenwert erhalten; insbesondere bezogen auf den Zeithorizont.

Die Frage „Soziale Gerechtigkeit, Arbeitsplätze“ darf nicht nur deren Erhalt dienen. Von eminenter Bedeutung ist, wo die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen werden, wie es um die Zukunft derzeitiger Arbeitsplätze bestellt ist und wie die Strukturentwicklung des Arbeitsmarktes innerhalb der EU aussehen wird. Zugunsten von Freihandelspartnern Arbeitsplätze aufzubauen, die hier im Lande wiederum unwiederbringlich abgebaut werden, zeugt nicht von Weitsicht. Spätestens die Strukturverschiebungen werden sich in jeder Kommune bemerkbar machen, wenn nur noch Zeitvertrags- und Leiharbeitskräfte im Dienstleistungsbereich oder in der Agrarwirtschaft tätig sind. Alles Themen, die man gerne hinten herunterfallen lässt. Die Wahl macht es jetzt möglich, den Wahlkämpfern konkrete Fragen zu stellen.

 

One Reply to “EuGH-Urteil: Handelsverträge”

  1. Man solle sich also die Sache über die Wahlkämpfer und deren Arena näher ansehen. Aha! Zu lesen und zu hören ist jedoch nichts, die Versuchsanordnungen der Tutzinger Liste dürften weiterhin ziemlich geheim bleiben. Im Gemeinderat gibt es Themenstellungen dieser Art nicht; Tutzing lebt vermutlich auf der dritten Hälfte der Halbkugel. Für die hinter der Gemeindegrenze liegenden Themen sind andere verantwortlich. Blöd ist nur, dass die hinter diesen Grenzen passierenden Dinge sich immer in den Kommunen niederschlagen. Dort aber niemand dafür verantwortlich gemacht werden kann. Also spricht und schreibt man nicht darüber. Jedenfalls war am 18.05. abends in den gemeindlichen Schaukästen zu den von der TL angesprochenen Themen nichts zu lesen, ebensowenig auf den jeweiligen Homepages örtlicher Politiker.
    Schön, von der TL zu lesen, wie intensiv sie auf das Treiben der Privatisierungstruppen meint hinweisen zu können. Sie, die TL, könnte aber auch einmal darauf verweisen, dass vor dem Verstehen der unglaublich vielen Privatisierungsvorhaben etwas steht, was noch viel wichtiger ist. Nämlich die Bereitschaft der Leute, sich überhaupt mit der derzeitigen Lage befassen zu wollen. Freihandel=Brüssel=geht uns nichts an!
    Der TL und deren Gemeinderat viel Erfolg beim hartnäckigen Verfolgen von Themen; möge die TL sich nicht auf das Niveau begeben, mit dem die Welt meint, glücklich bleiben zu können.
    Wann steht in der Zeitung, die Privatisierung der Abwasserwirtschaft im Landkreis wird nicht erfolgen? Die Formulierung, das sei nicht geplant, man denke nicht daran oder das komme nie, entspricht klassischem Politik-Sprech. Der Privatisierung z.B. der Wasserwirtschaft gehört ein deutlicher Riegel vorgeschoben, ebenso der Privatisierung des Bildungswesens. Warum traut sich keiner? Bis zum 17.05.2017 war die Fernstraßenprivatisierung (übrigens gehört dazu auch die nicht unbekannte B2) fast abstimmungsreif; warum greift niemand dem jeweiligen Ober-Sachverständigen rechtzeitig in die Speichen? Viele kennen ihn und schweigen.
    Liebe TL, viel Erfolg beim Bohren dicker Bretter; und sei es nur, auf Themen hinzuweisen, deren Unterdrückung die überregionalen Politiker mehr Kraft kostet als die Behandlung dieser. Im Zusammenhang mit dem Unterdrücken ein Vorschlag zum stinkenden Bahnhofs-Thema (bundesweit bekannt!), von dem jeder etwas versteht. Auch von der TL rechtzeitig erschnüffelt, angestoßen und verfolgt. Es aber ist nichts passiert. Vorschlag: Man öffne am Sonntag das Rathaus für Touristen; deren Wünsche an einem Sonntag sind klar und kurz. In unserem Nachbarland Frankreich ist diese Lösung häufig anzutreffen! Die sind in Sachen Bahnhof teilweise noch weiter als wir.
    HF

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert