Vor Jahrzehnten in sozialen Brennpunkten entstanden, auch als Suppenküchen bekannt, bewirken „Tafeln“ Probleme, die häufig übersehen werden. Entstanden sind sie u.a., um die während großer Wirtschaftkrisen (Krieg, Inflation) aufgetretenen Versorgungsengpässe in Teilen der Bevölkerung zu beseitigen; auch um eine Notversorgung sicherzustellen, bis die Zeit der Not vorüber ist. In den USA gibt es heute noch Suppenküchen, die den Ärmsten zur Verfügung stehen und immer mehr genutzt werden. Was weniger bekannt ist, ist die dort heute noch übliche Verteilung von Lebensmitteln über Lebensmittelkarten. Man scheint sich an die Lage gewöhnt zu haben.
Soll erklärt werden, was eine „Tafel“ ist, welche Funktion sie hat, so gibt es zwei Sichtweisen:
- Die eine: In Deutschland versorgen von sozialen Einrichtungen aufgebaute und geführte Organisationen in von Kommunen bereitgestellten Räumlichkeiten zu bestimmten Ausgabezeiten Bedürftige mit Lebensmitteln. Die Versorgung dieser Organisationen erfolgt aus Spenden.
Die Öko-Bewegung schaffte es in den vergangenen Jahren, Großmärkte und. Einkaufszentren dazu zu bewegen, am Verfallsdatum liegende oder aus welchen Gründen auch immer entstandene Überbestände an Lebensmitteln eigeninitiativ an die Tafeln zu liefern. Ein häufig gehörtes Argument in dem Falle: In der Republik werden über 30% der verkauften Lebensmittel weggeworfen, seien wir doch froh, dass dank der „Tafeln“ nicht derart viel Lebensmittel vernichtet werden. Eine Argumentation, die bei näherem Hinsehen in den Bereich des Zynismus hineingeht. Der achtlose Umgang mit Lebensmitteln, das ungebremste Wachstumsdenken und die Verschleuderung von Ressourcen werden kompensiert mit der Einrichtung von „Tafeln“. - Eine zweite Sichtweise ist selten zu hören, wird uns demnächst aber immer häufiger begegnen. Unser Staat entwickelt seit über dreißig Jahren ein kaum nachvollziehbares Verständnis von staatlicher Daseinsvorsorge, das in ein paar Jahren beschrieben werden kann mit: „die Privatisierung staatlicher Daseinsvorsorge ist gelungen!“ Dieser „christlich-soziale“ Staat hat alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Gesellschaft immer mehr ausfranste und den Alten, Armen, Bedürftigen keine Sicherung mehr garantiert. Immer mehr Menschen werden gezwungen, sich mit Almosen oder Spenden über Wasser zu halten. Der Staat hat gegenüber seiner in prekären Verhältnissen lebenden Bevölkerungsteile versagt. Mit Absicht. Seine Politik war und ist so ausgerichtet – und das ist doch inzwischen fast jedem bekannt.
Zwei Begriffe sind es, die die Neoliberalen scheuen: Wohlfahrt und staatliche Daseinsvorsorge. Beides ist für Neoliberale Teufelszeug und Sozialismus. Neoliberale (Libertäre) sind sich nicht dessen bewusst, dass sie mit ihrem Grundverständnis, die soziale Marktwirtschaft in eine freie Marktwirtschaft umwandeln zu müssen, die Axt am Staat als Gemeinschaft und dessen Verständnis von Daseinsvorsorge anlegen.
Die Tafeln sind ein Thermometer dafür, mit dem gemessen wird, wie wenig ein sehr reicher Staat für diejenigen tut, die beim Reichwerden des Staates auf der Strecke geblieben sind. Die Zunahme der „Tafeln“ und deren „Kundschaft“ – ein die Situation völlig falsch beschreibender, zynischer Begriff – ist ein Signal dafür, wie ein Staat mit eben jener Kundschaft glaubt umgehen zu können.
Die „Tafeln“ nun für deren Leistung unentwegt zu loben, erscheint verlogen. Zu loben sind ausschließlich die hier vom Staat missbrauchten ehrenamtlichen Helfer, die nichts anderes tun, als ein immer größer werdender Reparaturbetrieb der Unfähigkeit des Staates zu sein. Ohne zumeist zu merken, wie sie „als gute Christen“ ausgenutzt werden.
Der Staat muss sich fragen lassen, welchen Beitrag er leisten will, damit es eben nicht zum Aufblühen eines Marktes kommt, der aus seiner gewollten Unfähigkeit, für seine Ärmsten zu sorgen, entsteht.
In Tutzing ist der Begriff „Tafel“ unbekannt. In Tutzing heißt das „Tischlein deck dich“. Die gutmütigen Verantwortlichen in Tutzing wählten einen Begriff, der als „Verniedlichung“ einer hochernsten und für den Staat blamablen Sache bezeichnet werden muss. Der Umstand der Bedürftigen verträgt keine Verniedlichung, auch wenn man uns das weismachen möchte.
Kann Herr Heil sich nicht direkt zu Wort melden? Braucht er dazu den TL-Gemeinderat? Sein Argument zur Namensgebung damals ist nachvollziehbar. ändert aber nichts daran, dass es für Deutschland peinlich ist, sich die Fürsorge für die Ärmsten der Armen von Ehrenamtlichen abnehmen zu lassen. Da ist jede „Verteidigung“ nur noch peinlicher,
Helge Haaser Passau
Es wäre auch möglich, Herrn Heil zu fragen, wie er es denn mit dem ChristlichSozialen innerhalb seiner Partei hält. Warum rennen Wähler zur AfD, wenn sie sich nicht bei den Vertretern der Sozialen Markwirtschaft aufgehoben fühlen? Libertär ausgerichtete Kräfte können sich nach zwanzigjähriger Vorarbeit entspannt zurücklehnen, deren Werk ist vollbracht! Es sind nicht heutige Grenzöffnungen, es sind die Deregulierungs- und Privatisierungswellen der neunziger Jahre. Wie der für Tutzing mutige Beitrag der TL-Redaktion es auch zeigt.
HF
Armin Heil, Leiter der Ambulanten Krankenpflege Tutzing macht uns darauf aufmerksam, dass es bei der Namensfindung keineswegs um eine Verniedlichung gegangen sei; vielmehr wollte man bewusst nicht den geschützten Namen „Tafel“ übernehmen, der die – nicht beabsichtigte – Mitgliedschaft im Verein Tafel Deutschland e.V. voraussetzt.