Jetzt kommt tatsächlich Stimmung auf. Ein Bürger von Tutzing schämt sich fremd und tritt von einer Funktion zurück, die kein Mensch in den nächsten vier Wochen braucht. Allerdings gibt ein sich fremdschämender Bürger Anlass dazu, in das Archiv zu blicken. Und, siehe da, der Fremdschämer müsste sich auch zuallererst für sich selbst schämen, hantiert er doch wissentlich mit Falschinformationen. Eine Falschinformation kann übrigens auch als offene Feindseligkeit verstanden werden.

Viele Räte haben es deswegen uneingeschränkt gut, weil niemand ihr Treiben verfolgen kann. Und die, die das Treiben verfolgen, sitzen am Pressetisch und machen das, was mit seriöser Pressearbeit nicht immer etwas zu tun hat.

Wie sich die Kultur des Umgangs in Tutzing entwickelte, ist dann zu verstehen, wenn auf das Jahr heute minus 18 zurückgeblickt wird. Da saßen mehr als drei Kandidaten im Andechser Hof, stellten sich brav vor und gingen vor sehr großem Publikum für sich selbst werbend ins Gespräch mit dem Publikum. Nicht einer der Kandidaten fiel über den am gleichen Tisch sitzenden Wettbewerber her und bewarf ihn mit einem Schuh. Der Schuh stand allerdings tatsächlich als Markenzeichen eines Kandidaten auf dem Tisch und führte zu einer völlig entspannten Situation. Es war eine Atmosphäre, die als “Tutzing innerfamiliär, mit gegenseitiger Achtung sich streitend“ bezeichnet werden konnte. Trotz aller in der Sache unterschiedlich gesehenen Betrachtungen der Kandidaten.

Die Möglichkeit, ein Hearing mit dem gesamten Gemeinderat zu veranstalten, bei dem halb Tutzing den Saal füllt, wird nicht genutzt. Die Gemeinderäte kamen auch nie auf die Idee, sich gemeinsam vor Publikum vom Publikum für die abgelaufene Amtsperiode zu bedanken; vielleicht sogar Rechenschaft abzulegen, Fragen zu beantworten und Anregungen mitzunehmen.

Die mittlerweile erlebte und damit höchst abstoßende Form des Aufeinander-Einschlagens lässt nach den erfolgten Brunnenvergiftungen ein öffentliches Hearing gar nicht mehr zu. Das jeweilige Plenum ist teilweise so mit gegenseitigen Hassparolen bestückt, dass ein Dialog gar nicht mehr möglich ist.
Wehe, es wagt jemand, die Dinge kritisch zu hinterfragen. Sofort bekommt er eine auf die Nuss mit dem Hinweis, so etwas sei Polemik und die habe gefälligst zu unterbleiben. Das geht hin bis zu den Leuten, die sich mit der Vokabel Fairness (nicht Firniss) umgeben und dann beim Hinweis auf offen gehaltene Fragen sofort mit dem Totschlagargument kommen, das sei doch nur Meckerei. Wer kann denn in dem Ort, der zwei forschende Akademien mit bundesweitem Ruf hat, eigentlich noch unverprügelt sagen, wie er die Kultur des Miteinanders hier empfindet?

Um zu Urteilen oder Vorschlägen zu kommen, muss vorher die Lage analysiert werden. Und nach der Entscheidung muss man sich über die Konsequenzen der Entscheidung bewusst sein. Diese von früher jedem Wehrpflichtigen gelernte Eigenschaft ist großen Teilen des Tutzinger Gemeinderats abhanden gekommen. Zumindest wird sie gut verborgen gehalten. Wieso?

Die Chance, mit einem Reset-Knopf (Wahl!) einen völlig neuen Gemeinderat zu bekommen, ist völlig vertan. Die Listen zeigen die alten kampfzerfurchten Gesichter, zumeist überzeugend lächelnd. Mit denen wird sichergestellt, dass sich nichts ändern wird. Und die paar Neulinge werden erst einmal von den alten Fahrensleuten darauf verwiesen, wer hier nun das Moos auf dem Buckel hat und wer nicht.

Altersweisheit ist dann das Zauberwort für Altersstarrsinn. Geistige Beweglichkeit das Zauberwort für mangelnde Vorbereitung und intellektuelle Überforderung. Unterzuckerung könnte auch ein Anlass für mangelnde Aufmerksamkeit (häufiges Einnicken) sein.
Drum muss der Bürgermeister weg. Schließlich hat er den Gemeinderat nicht zu ordentlicher Arbeit geführt. Und laut Presse und wichtiger Gemeinderäte hat er es auch noch versiebt, das enorme Potential der Verwaltung sichtbar zu heben.

Liebe Leser, sehen Sie sich die Wahlzettel genau an. Der alte Slogan “weiter so“ ist nicht beschrieben. Viel schlimmer, der Slogan ist bebildert.

Ihr Josef Bimslechner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert