Niemand weiß, wie viele „Altersbegleiterinnen“ aus Ungarn, Polen und Rumänien in Tutzing unauffällig ihrer schweren Arbeit nachgehen. 24 Stunden einsatzbereit. Haushalt machen. Einkaufen, Essen kochen, Rasen mähen, Blumen gießen, Gesellschaft leisten – weshalb sie auch Gesellschafterinnen genannt werden. In eine Gemeinde, der schon vor 10 Jahren die Last der Überalterung seiner Bürger so sehr zu schaffen machte, dass zwei Senioren ein „Tutzinger Konzept Betreutes Wohnen zu Haus“ entwickelten. Dankbar wurde es vom Verein Ambulanten Krankenpflege aufgenommen und mit vielen Ehrenamtlichen erfolgreich umgesetzt (Information unter 08158/906809).

Doch ab einer gewissen Phase des fortgeschrittenen Alters reicht auch ehrenamtliches Engagement nicht mehr aus: wenn dem Leben des zu Betreuenden 24 Stunden lang Gefahren drohen. Dann bleibt in der Regel nur noch der Umzug in ein Heim – oder der Einsatz einer Betreuerin. Beides ist teuer, letzteres kann daneben auch noch nervig sein. Weil die meisten „Gesellschafterinnen“ alle paar Wochen wechseln (*), die Verständigung mit ihnen gelegentlich mühsam ist und – besonders bedenklich – sie keine medizinische Ausbildung haben. Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass diese Art des Pflege- und Betreuungssystems mitunter gut funktioniert und die zu pflegende Person sowie die Angehörigen sehr zu frieden sind.

Entstanden ist das alles, weil die Entwicklung der letzten 50 Jahre zu „marktgerechten Familien“ geführt hat, deren Mitglieder oft weit verstreut leben, gegenseitige Hilfe nicht mehr gegeben ist, Kinder ab dem Babyalter in Kitas und „die Alten“ in Heimen untergebracht werden sollen. Wir erleben hier die brutale Demontage uralter sozialer Strukturen. Das Zusammenleben wurde längst der „Wertschöpfung“ geopfert. Silke Niemeyer schrieb dazu in der SZ: „Es ist der große Betrug und Selbstbetrug dieser Ökonomie, dass sie Familien immer mehr das Zuhause raubt, die innigen Bindungen, die Zeit füreinander, die nicht aus Zeitfenstern und Modulen besteht“. Dass die Helferinnen aus dem Osten von ihren „Agenturen“ ganz nebenbei auch noch brutal ausgeplündert werden, nur einen kleinen Teil der großen Summe behalten dürfen, die berechnet wird, ist ein weiterer Zynismus in dieser angeblich so sozialen Gesellschaft. Silke Niemeyer nennt das Geschehen eine „humane Kernschmelze“.

(siehe den Gastbeitrag von Silke Niemeyer in SZ 16./17.6. “ „Die Polin bleibt“ )

(*) ihre Arbeitsgenehmigung als „Saisonarbeiter“ ist auf 4-6 Wochen beschränkt.

One Reply to “Mädchen für alles?”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert