Da haben wir nun den Salat, angerichtet mit allen möglichen Zutaten, jedoch ziemlich schwer genießbar.

Die Bewertung der Lage reicht von Marktversagen (bekanntlich regelt der Markt alles, die Politik sei ein schlechter Unternehmer!) bis hin zu, im Markt gäbe es Selbstreinigungsprozesse und ein solcher machte vor Tutzing nicht halt, ebenso wenig wie der Klimawandel mit Corona im Beipack.

Was hat Tutzing nicht schon alles ausprobiert, dem Markt einen Streich zu spielen. Die Geschäfte in der Hallberger Allee sollten unter Naturschutz gestellt werden, indem die vor den Stadtmauern liegenden Supermärkte nur jene Produktlinien vertreiben sollen, die nicht in der Hallberger Allee angeboten werden. Die Verwaltung betrieb kurzfristig Sortiments-Politik, bis sie merkte, der Schuss ginge im Gelächter brutal nach hinten los. Auf dem Weg, sich lächerlich zu machen, kam man allerdings weit voran.

Was ist aus der Hallbergerallee geworden? Jeder kann es besichtigen, man ist tatsächlich unterwegs Richtung  Naturschutzgebiet; eine beliebte Einkaufsmeile wurde die Allee jedenfalls nicht. Das wird wohl die Hauptstraße werden, umfassende Erholung mit Einkaufsgelegenheit. Vorteil: weitgehend bleifrei.

Und nun der Hammer, völlig unerwartet aus heiterem Himmel. Verbunden mit mitleidvollen Abgesängen: Kaisers machte doch zu, Edeka folgte unwiderruflich.

Tutzings Politik einschl. hiesiger Wirtschaftsverbände, bestückt mit Wirtschafts- und Marktsachverständigen, blieb eisern berechenbar. Wohlwissend um die beginnende Ausdünnung, verbunden mit absehbaren Preiskämpfen etablierter Anbieter, man hielt sich zurück. Man überließ die Regelung dem Markt. Und der sieht bald aus wie so manche Innenstadt in frz. Kleinstädten.

Es zeichnete sich seit Jahren ab, die Gemeinde Tutzing hat ein Überangebot an Einkaufsmöglichkeiten. Wer ein Auto hat, fährt übrigens in die umliegenden Einkaufszentren und kauft dort ein, hat er auch dort die Möglichkeit für ein Schwätzchen unter Einheimischen „… ach, Sie auch hier?…“ und schon läuft das Gespräch, was in Tutzing kaum zustande käme. Denn hier versucht jeder, so schnell wie möglich die immer verstopfte und durch Verkehrsrüpelei belastete Lindemannstraße zu verlassen.

Was ist in dem kopflastigen und total überalterten Ort Tutzing passiert? Verwaltung und Gemeinderat wissen seit über zehn Jahren, dass hiesiger Einzel- und Fachhandel, auch Dienstleister, vor massiven Strukturänderungen stehen. Es donnern mehr Hermes- und DPD-Leute durch den Ort als Einheimische mit hier gekauften Produkten im breitbereiften Kombi oder SUV. Eine Umstrukturierung in hiesiger Geschäftswelt war absehbar. Nicht absehbar war der Umstand, auch hier nicht prophylaktisch darauf reagiert zu haben.

Zur Ortsentwicklung gehört mehr als nur ausgefeilte und den letzten m³ einbezogene Bauvorhaben. Zur Ortsentwicklung gehört auch und insbesondere, die Weichen so zu stellen, dass dieser Ort eine intakte, pulsierende Geschäftswelt hat. Es hat sich nämlich herumgesprochen, dass allein vom hier Schlafen und Segeln dieser Ort nicht leben kann. Hier pulst bald gar nichts mehr, wenn hiesige Wirtschaft sich selbst den Hahn zudreht.

Wettbewerb belebt das Geschäft!  Das war bisher das Credo des Gemeinderats. Zumeist von Leuten gebracht, die gar nicht wissen, was Wettbewerb in voll libertärer Ausprägung überhaupt bedeutet. Wettbewerb heißt nicht nur, billigst irgendwo einzukaufen und den Planeten noch mehr zu verschmutzen. Wettbewerb heißt auch, Ideen zu haben und umzusetzen, den Ort attraktiv zu halten. Und damit er das ist, braucht der Ort ein Ortsentwicklungskonzept. Ein Konzept, welche Form des Wirtschaftens wir hier eigentlich haben wollen bis hin zur Frage, was der Ort unbedingt haben muss, um sich als attraktiver Ort behaupten zu können.

Ausnahmsweise gehören Immobilien nicht dazu. Hier in Tutzing werden Arbeitsplätze benötigt und ein intaktes Wirtschaftsleben. Der bisherige Gemeinderat hat seine volle Kraft in Bauvorhaben gesteckt, kaum in die Frage, wie Tutzing wirtschaftlich überleben kann. Die bisherigen Bemühungen erinnern an Kopfnoten „… er bemühte sich…“, was nichts anderes heißt, er tat alles in seiner Kraft stehende, nur erreicht hat er das Ziel keineswegs.

Unternehmerisch denken und handeln, das war seinerzeit der Slogan, Wahlen zu gewinnen. Was wurde daraus? Steigende Immobilienpreise.

Jetzt ist der Gemeinderat gefragt, ob er nicht einmal seinen Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde legen will. Die Frage, inwieweit energisches Staunen genügt, wenn wieder mal ein Geschäft seinen Rollladen für immer schließt, dürfte ein guter Anlass für den neuen Gemeinderat sein.

Einen Beauftragten zu ernennen, das ist zu wenig für den kommenden Ernst der Lage. Einen Antrag zu stellen, der große Chancen hat, vordergründig aus Geldgründen abgelehnt zu werden, ebenfalls.

Das Unternehmen TUTZING ist mehr als geschmacksgerechtes Bebauen des letzten freien Orts-Zipfels.

Edeka dürfte ein guter Anlass sein, endlich darüber nachzudenken, wie die Zukunft aussehen muss.

Vielleicht hatten das die Tutzinger Wähler im Sinn, als sie zum Erstaunen des halben Gemeinderats beschlossen, den Gemeinderat komplett umzubauen. Jedenfalls könnte das die Analyse des Wahlergebnisses bringen, sofern es überhaupt noch gewollt ist, das epochemachende Ergebnis zu analysieren.

Der Gemeinderat wird daran gemessen, wann und wie er es schafft, die Zukunft Tutzings zu sichern.

Das weiß und meint Ihr Josef Bimslechner

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