Vor drei Jahren hielt der Präsident des IfO-Instituts Prof. Dr. Clemens Fuest vor Starnbergs Unternehmern einen Vortrag, der auch die möglichen Rückwirkungen eines Brexit auf Deutschland skizzierte. Der Landkreis Starnberg gehört zu Deutschland, den Teilnehmern der geschlossenen Veranstaltung erschien aber das Buffet wichtiger als über die möglichen Rückwirkungen eines Brexit auf die Wirtschaft des Landkreises und auf die Arbeitsplätze zu diskutieren.

Dem Unternehmen Statista (Statistik online-Portal, Stand 08/2019) zufolge könnte ein harter Brexit Deutschland ca. 290.000 Arbeitsplätze kosten, Deutschland wäre der Hauptbetroffene. Das dürfte doch auch den Landkreis Starnberg treffen; etliche der hier ansässigen Firmen haben lt. IfO-Institut entweder direkte oder indirekte Verbindungen als Zulieferer oder Dienstleister zu Firmen aus Großbritannien.

Im Landkreis gibt es Experten für Wirtschaftsförderung im weitesten Sinne, denen müssten doch vor dem Hintergrund der unübersehbar aufziehenden dunklen Wolken am Wirtschaftshorizont die Glocken läuten: Großbritannien in absehbarer Schieflage (erwarteter Jobverlust von über 500.000 Stellen), in Gesamtdeutschland besinnen sich die Automobilzulieferer darauf, sehr bald etwas weniger arbeiten zu müssen; die Auftragseingänge stimmen einfach nicht mehr. Seltsame Koinzidenz. Was übrigens bereits seit einem Jahr deutlich absehbar war.

Derzeit bestimmen zwei ziemlich aus dem Rahmen fallende Weltenlenker, stolz darauf, alle Regelwerke des Welt-Handels kippen zu können, dass absehbare Unklarheit noch unklarer wird. Das alte Prinzip, mehr und mehr und noch mehr (die Gier und der Wettbewerb bis in die kleinste Stube), prägte seit drei Jahrzehnten den Gang der Weltwirtschaft.

Die Strecke in die Zukunft wird nun sehr holprig, zugleich aber kamen über 200 US-amerikanische CEOs auf die Idee, Wirtschaft im Sinne der Stakeholder-Orientierung einfach mal neu zu denken und sogar danach zu handeln. Die natürlich selbstverständliche Forderung jener CEOs bestand auch sofort darin, die Chefs aus Deutschland sollten sich mal ein Beispiel an den US-CEOs nehmen.

Ist das Ansinnen eines Gemeinderates eigentlich durchgängig vertretbar, zu fragen, ob nicht die Wirtschaftsförderer aus dem Landkreis einmal für alle Kommunen des Landkreises untersuchen sollten, was über den Brexit hinaus noch an Ungemach für den Landkreis auszumachen ist?

Es müsste doch jede Verwaltung und jede Bürgermeisterei ein Interesse daran haben, parteifrei mit dem Fernrohr in die nächsten vier oder sechs Jahre zu schauen, damit die Schotten rechtzeitig dicht gemacht werden können, also einem nicht plötzlich das Wasser am Halse steht. Wer nun sagt, auf solch lange Zeit könne nicht geschaut werden, der hat noch nicht verstanden, mit welchen Methoden mittlerweile noch weiter in die Zukunft geschaut werden kann.

Gut beurteilen können müsste es die Gemeinde Dießen. In deren Nachbarschaft befindet sich ein weltbekannter Automobilzulieferer. Dieser hat, hervorragend strategisch geführt, gewiss Szenarien in seiner Denkerstube liegen, die dem Landkreis einen Ausblick auf kommende Zeiten geben könnten. Bekanntlich hängen an jedem Arbeitsplatz eines Zulieferers mindestens drei weitere Arbeitsplätze aus dessen Umgebung (first, second, third tier suplier). Das wäre selbst für den Landkreis Starnberg ein nicht unerheblicher Aderlass. Der Brexit, wie er auch kommen mag, und stotternde Automotoren, all das dürfte zur Vorsicht mahnen.

Sofern sich Gauting zum Landkreis Starnberg zählt, könnte die Frage nach absehbaren Auswirkungen auch dort gestellt werden.

Tutzings Unternehmerschaft dürfte ein Blick auf kommende, den Landkreis betreffende Wetterlagen auch interessieren.

Der Link zu den Leuten, die über die Verbände in die Zukunft schauen, wäre zu testen. Verwaltung und Gemeinderat sprachen vor fünf Jahren von unternehmerischem Weitblick. Nun ist er gefragt.

Überraschungen ist vorzubeugen.

 

 

One Reply to “Wirtschaftsförderung … mal anders gedacht!”

  1. Kann es sein, dass die Verfasser der Zeilen zu den unverbesserlichen Optimisten gehören?
    Die Bereitschaft, sich mit Szenarien (was kommt bestenfalls, schlimmstenfalls) zu beschäftigen, ist zumindest in dieser Kommune nicht sehr ausgeprägt. Schließlich klingelt überall die Kasse, eine Notwendigkeit zur Vorsorge war seit fast Jahrzehnten nicht mehr gegeben.
    Tutzing lebt von ehemals weitblickenden Gemeindevätern einschl. weitblickender Oberväter. Heute z.B. entsteht ein 70-Wohnungen-Bauvorhaben Kallerbach/Lindemannstr, das ohne den damaligen Gemeindehäuptling nie möglich gewesen wäre. Er kaufte nämlich das Grundstück und hamsterte.
    Der Beitrag erwähnt den Modetrend Gemeinwohlwirtschaft und zitiert jene 200 US-amerikanische Firmenlenker, die plötzlich und hochgradig werbewirksam das Gemeinwohl (Stakeholder!) entdecken und in ihrer unglaublichen Dreistigkeit derartiger Sprücheklopperei das nun auch von Deutschland erwarten.
    Die Welt wird von US-amerikanischen und britischen Investoren/Investmentbankern gesteuert, die nur ein einziges und kein anderes Ziel haben, das letzte Promille Rendite aus jeder Finanzanlage herauszuholen. Sie sind es nämlich den Anlegern, den amerikanischen und britischen Pensionskassen, schuldig. Diese Vermögensverwalter interessiert überhaupt nicht, wer und was dabei auf der Strecke bleibt. Es darf sie auch nicht interessieren, denn das Geld geht dorthin, wo es anonym eben jene erwähnten Promille an Rendite mehr erzielt. Wollten Pensionskassen die Umweltschäden und Verletzung der Menschenrechte in ihr Handeln einbeziehen, wären die KKRs, Blackstones und Konsorten bald pleite. Das Wort PLEITE kennen sie nur als Teil ihres eigenen Geschäftsmodells, nicht aber für sich selbst.
    Beim Blick in die Zukunft, auch wenn sie nur unseren Landkreis betrifft, darf nicht aus dem Auge verloren werden, nach welch nahezu unabänderlichen Kriterien die Welt tickt. Gewiss nicht nach den Kriterien des Gemeinwohls oder der Stakeholderei.
    Bei Banken hat 2008 der Stresstest die Augen geöffnet. Kommunen, angeblich unternehmerisch führbar, sollten sich baldigst dem Stresstest unterziehen.
    Meinten die Verfasser des Artikels das, dann ist ihnen ein guter Durchblick und ein hohes Durchhaltevermögen zu wünschen. Warum ist eigentlich immer nur die Tutzinger Liste an derartigen Themen dran; warum nicht die lokalen Leute von CSU oder gar den Grünen?
    Die TL kann als Initiativ-Verein derart dicke Bretter nicht bohren, da muss schon die CSU mit ihrem Sachverstand zu Fragen der Wirtschaft mit ran. Der Komm-Wahl-Aufruf wäre ein guter Anlass.
    HF

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