Region findet Stadt! Wohnen und Mehr, so hieß eine Veranstaltung des Münchner Referats für Stadtplanung und Bauordnung am 01.02.2017 im Rahmen der laufenden Ausstellung „Mehr Wohnen“ (täglich von 11 – 19 Uhr, bis 23.02.2017, Eintritt frei). Ich war dort, um mir ein Bild zu machen, um zu lernen, denn was für München im Großen gilt, kann für Tutzing im Kleinen zutreffen. Die Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern bis 2035 des Bayerischen Landesamts für Statistik (Heft 548) zeigt für die Landeshauptstadt einen Anstieg der Bevölkerung um 13,5% auf 1,648 Mio. in 2035 (gegenüber 2015). Für den Landkreis Starnberg wird ein Zuwachs um 8,9% auf 145.600 Einwohner prognostiziert. Interessant dabei: eine natürliche Bevölkerungsbewegung von -5,9% (also Schrumpfung) wird überkompensiert durch Zuwanderung von 14,9%. Alle diese Menschen möchten angemessen wohnen. Das gilt natürlich auf für Tutzing!

In der Rathausgalerie am Marienplatz wurden Positionen, Projekte und Kooperationen aus der Region kurz und kompakt präsentiert. Anschließend diskutierten Akteure aus der Metropolregion München über Identität, Kommunikation und Lebensqualität in der wachsenden Stadtregion.

Christian Böhm, Architekt, Vorsitzender Deutscher Werkbund Bayern, begann mit Artikel 83 Absatz 1 der Bayerischen Verfassung: Ortsplanung und Wohnungsbau liegt in der Zuständigkeit der Gemeinden. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung sei eine Priorisierung des Wohnungsbaus erforderlich. Dazu gehörten

  1. Günstige Grundstücke für Wohnungsbau, neue Flächen, auch Ortserweiterung – die Kommune wächst
  2. Kommunaler Wohnungsbau – natürlich für eine Metropole wie München
  3. Unterstützung von Wohnungsinitiativen, also Baugemeinschaften, genossenschaftliche Modelle etc.

Die Schaffung von adäquatem Wohnraum muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden, was inzwischen wohl jeder weiß. Interessant fand ich den Hinweis, auf den stark gestiegenen individuellen Wohnraum. Das koste Grundstücksfläche. Nachzulesen beim Umweltbundesamt.

Michael Käfer, der Feinkosthändler, berichtete frei und ohne Folien von seiner bisher erfolglosen Suche nach Grundstücken zu vertretbaren Preisen, um darauf Mitarbeiterwohnungen zu errichten. Wenn Unternehmen angesiedelt werden (sollen), dann benötigen diese arbeitsplatznahen Wohnraum für ihre Mitarbeiter. Verschärfend benötigten Mitarbeiter in der Gastronomie günstigen Wohnraum, den sie sich auch leisten könnten. Hier sieht er sich in einer gleichen Situation wie andere ihm bekannte mittelständische Unternehmer, auch aus anderen Branchen.

Axel Markwardt, Kommunalreferent der Landeshauptstadt München, berichtete von den umfangreichen Maßnahmen des Programms „Wohnen für Alle“. Letztlich geht es immer um geeignete Grundstücke. München dehnt sich aus und ist auch am Erwerb von Grundstücken im Umland interessiert, die naturgemäß dortiger Planungshoheit unterliegen. Hier muss, so war zu verstehen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Stadt und Region erst wachsen. Die Gemeinden können aber auch keine Grundstücke günstig abgeben; der Staat kann nichts verschenken, so lautet eine griffige Rechtsformel. Möglichkeiten, die Grundstückskosten zu begrenzen, sah der Referent zum einen in starken Bindungen zugunsten des Wohnungsbaus in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen und zum anderen in der auch im Tutzinger Gemeinderat bereits angesprochenen „Sozialgerechten Bodennutzung“. Das ist mehr oder weniger das zu entwickelnde Tutzinger Modell, nachdem ein zu bestimmender Teil des Grundstücksmehrwerts, der durch die Vergabe von Baurecht entsteht, beim Grundeigentümer abgeschöpft wird, weil er völlig ohne dessen Beitrag entstanden ist. Mindestens 30% des Mehrwerts, so der Referent, müssen beim Eigentümer verbleiben.

Michael Ehret, Geschäftsführer ehret+klein GmbH, erläuterte mit Praxisbezug zu realisierten Objekten, wie durch Nutzungsvielfalt eine funktionierende Urbanität erreicht werden kann. Mischnutzung sei das Stichwort, verbunden mit kurzen Wegen und mehr Dichte: Dichte an Funktionen, an Kultur, emotionale Dichte, damit einhergehend bauliche Dichte und Dichte an Personen. Patentrezepte im Mix von Wohnen, Gewerbe und Einkaufen gebe es nicht mehr; jeder Fall müsse individuell betrachtet werden. Dabei müssten die soziale Infrastruktur (Kinderkrippen und -gärten, Schulen etc.) sowie die Verkehrsinfrastruktur mitwachsen. Nach seiner Erfahrung stecke ein großer Teil des Erfolgs in der guten Vorbereitung: Motivation, Beteiligung der Betroffenen bzw. Interessierten seien wichtig, insbesondere die Kommunikation. Hier hätten sich Lenkungskreiskonzepte zur gemeinsamen Projektentwicklung bewährt – ohne den Gemeinderat auszuschließen. Zu Beginn ständen Idee- und Nutzungskonzepte im Vordergrund, also die Frage nach den Bedürfnissen und deren mögliche Erfüllung; erst anschließend ginge es um Architektur und Planung. Die Region sei kein „Schlafgürtel“ um München, eine Aussage, der ich nur zustimmen kann.

Wie kommen wir in Tutzing hier voran, um „bezahlbaren“ Wohnraum zu schaffen? Wer engagiert sich wie und wo, welche neuen Nachbarschaften entstehen? Wie verändert sich Tutzing? Und welche Kooperationen und Allianzen auf privater wie öffentlicher Seite sind erforderlich, um neue Quartiere, die umgebende Landschaft sowie die Infrastruktur gemeinsam fortzuentwickeln?

Dazu mehr in einem späteren Beitrag – vielleicht mit Anregungen von Ihnen, die Sie nachstehend geben können!

 

 

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