Die Meinungen gingen auseinander, ob das zukünftige Gebäude an der Stelle des ehemaligen Edeka-Marktes in der Hauptstraße 39 nun zu hoch oder zu niedrig sei. So zu beobachten in der Sitzung des Gemeinderats (GR) am 07.12.2021 unter der Leitung der 1. Bürgermeisterin Marlene Greinwald. Der gemeindliche Planer Prof. Florian Burgstaller stellte eine überarbeitete Plankonzeption vor. Ausgehend von den Varianten in 2013 und dem geltenden Bebauungsplan Nr. 78 „Ortszentrum“, Teilbebauungsplan 1.1. war in der Sitzung am 06.07.2021 ein gegenüber der Hauptstraße zurückgesetzter Bau mit zwei Kopfbauten vorgestellt worden. Im Westen des Grundstücks war ein weiteres Gebäude geplant. Insbesondere nach Kritik an der Firsthöhe wurden nun in Abstimmung mit dem Bauwerber städtebauliche Varianten und Varianten der Baukörper sowie unterschiedliche Maßstäbe untersucht. Dabei hatte sich herausgestellt, dass sich die vorherige Lösung mit einem traufseitigen Gebäude mit zwei Kopfbauten empfehle. Die Höhe war nun reduziert worden, es gebe drei Geschosse, das ausbaubare Dachgeschoss gehöre zum dritten Stock. Damit war die kritisierte viergeschossige Anmutung beseitigt, in der zum See gewandten Dachfläche wurde die Zahl der Gauben reduziert und die Dachlandschaft derart beruhigt.

Der Planer betonte, dass an dieser Stelle eine Dreigeschossigkeit schon angebracht sei. Die Variante mit zwei Geschossen aus dem Bebauungsplan des Jahres 2015 sei eindeutig zu niedrig. Wichtig sei es, den Baukörper und die Fassade zu gliedern, was mit Visualisierungen belegt wurde. Die differenzierte Gestaltung der Fassade hinsichtlich Material, Farbe und Rücksprüngen sei ein weiteres Element, hier eine gute Lösung zu finden. Der Planer sah in der vorgestellten Variante eine „optisch durchaus überzeugende Situation“. Wie bereits vor Jahren angedacht, sei es eine zusätzliche Option, den Straßenbelag so zu gestalten, dass der neu entstehende Hof vor dem Gebäude mit dem „Marienplatz“ verbunden werde. Der neue städtebauliche Vorschlag ließe sich gut einfügen in die sehr unterschiedlichen Randbedingungen größerer und kleinerer Häuser in der Umgebung. In meinen Augen eine gelungnen städtebauliche Konzeption für dieses Grundstück in der Ortsmitte. Im westlichen Teil wird der derzeit vollständig gepflasterte Innenhof entsiegelt und begrünt.

Weil gegenüber dem gegenwärtigen Bebauungsplan mehr Baurecht gewährt würde, gibt es Einigkeit mit dem Bauwerber, auch vergünstige Wohnungen auszuweisen. Bei einer Grundfläche GR von 950 m² würde die Mehrung ca. 23% betragen. Anmerkung: Bei der Vergünstigung könnte es sich um einen laufenden, einkommensabhängigen
Zuschuss zur Wohnkostenentlastung für die begünstigten Haushalte handeln, sog. EOF-Förderung.  Verschiedenen Mitgliedern des Gemeinderats war die reduzierte Firsthöhe immer noch zu hoch. Die Bürgermeisterin wunderte sich dann auch über die ablehenden Kommentare: Die Verdichtung im Zentrum, der Platz, die bezahlbaren Wohnungen, dies sei doch alles gewollt. Sie regte an nachzudenken, was der Gemeinderat für Tutzing wolle.

Um die Einwände zu berücksichtigen, wurde einstimmig beschlossen, der städtebaulichen Plankonzeption von Prof. Burgstaller zuzustimmen und den Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München mit dem Entwurf des neuen Bebauungsplans zu beauftragen. In der Billigung des Entwurfs würden dann zwei Varianten zur Auswahl vorgestellt: die gegenwärtige und eine ein mit weiter reduzierter Höhe. Baumamtsleiter Christian Wolfert gab abschließend den Hinweis, vergünstigten Wohnraum werde es nur geben, wenn es tatsächlich auch zu einer Baurechtsmehrung kommen würde.
Alle Illustrationen: © Prof. Florian Burgstaller

Weitere Punkte der Sitzung:

  • Die Glaserfasererschließung der Gemeinde Tutzing durch die Liberty Networks Germany GmbH wurden von einem Vertreter dieser Gesellschaft vorgestellt. Die Gesellschaft ist ein sehr junges Gemeinschaftsunternehmen von Liberty Global und dem französischen Infrfastrukturfonds InfraVia. Liberty Global selbst gehört der Anbieter Unitymedia, die dann an Vodafone verkauft wurde. Nach Ablauf des Wettbewerbsverbots geht der Konzern über das neue Unternehmen wieder an den Markt. Das Unternehmen ist stolz auf 30 Jahre Erfahrung in sechs europäischen Ländern. Eine Überprüfung der Gemeinde Tutzing mit mehr als 10.0000 Einwohnern und ca. 4.850 Haushalten hatte ergeben, dass sich der Glasfaserausbau mit einer Investition von 10 Mio. Euro lohnen könnte. Ein Anschluss von Tutzing an einen Datenpunkt der Bahn (db broadband) in weniger als einem km Entfernung sei vorbesprochen. Der Vertreter von Liberty Networks Germany legte einen ambitionierten Zeitplan von 24 Monaten vor. Beginnend mit einem anzuschließenden Kooperationsvertrag mit der Gemeinde. Dabei werde in der Vorvermarktung eine Quote an Zusagen von 35% der Haushalte angestrebt. Dies sei quasi die Voraussetzung für die Realisierung. Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass es sich um ein offnes Netz handele, Wettbewerber könnten die Leitungen gegen Gebühr nutzen. Für Verbraucher sei der Anschluss bei Abschluss eines Nutzungsvertrags (vier Varianten) kostenlos. Andernfalls seinen rd. 800 Euro zu bezahlen. Voraussetzungen für den Erfolg seien eine schnelle Genehmigung, die gemeinsame Kommunikation mit der Gemeinde, die Risikominimierung durch die Vorvermarktung und die zusätzliche Unterstützung durch die Gemeinde bei der Suche nach einem Technikstandort, die Offenlegung der kommunalen Infrastruktur und die Bereitstellung von Bau- und Lagerplätzen. Geschäftsleiter Marcus Grätz hatte sich beim Gemeindetag erkundigt, der im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen vom Abschluss von Kooperationsverträgen abrät. Somit müsste die Rechtslage noch geprüft werden. Der Gemeinderat nahm dies zu Kenntnis.
  • Die Verwaltung berichtete über ein neues „Bayerisches Mobilfunkförderprogramm“. Damit sollen Versorgungslücken im Mobilfunkempfang geschlossen werden, die bei marktwirtschaftlicher Betrachtung des Ausbaus verblieben sind. Das Programm läuft bis 30.06.2022. Letztlich geht es hier darum, dass die Gemeinde entsprechende Funkmasten errichtet, deren Kosten mit 80-90% gefördert werden. Hier werde den Kommunen eine weitere Aufgabe aufgebürdet, so die Bürgermeisterin. Christoph Winkelkötter von der gwt Starnberg ergänzte, es gäbe natürlich ein Geschäftsmodell der Mobilfunkprovider, die Gemeinde müsse sich jedoch fragen, wie sie die Bevölkerung optimal versorge. Gegen die Stimme der Ratskollegin Caroline Krug wurde beschlossen, eine Interessenbekundung abzugeben, die nach entsprechenden Messungen für eine zulässige Datenlage einer möglichen Unterversorung in Tutzing und den Ortsteile führe.
  • Beim Antrag auf Durchführung einer moderierten Sondersitzung zum Thema Gemeindeentwicklung und ISEK ging es um den Gemeinschaftsantrag vom 06.10.2021. Dazu führte ich – nach vorheriger Rücksprache mit den Mitunterzeicher:innen – aus, dass der Antrag jedoch bereits erledigt sei und leitete dies wie folgt ab. Da dieser Antrag in der letzten Sitzung am 09.11.2021 auf der Tagesordnung fehlte, hatte ich dies gleich eingangs der öffentlichen Sitzung als Geschäftsordnungspunkt thematisiert. Die Bürgermeisterin hatte hierzu ungefähr erklärt, dass sie das nicht so formal sehe und der Gemeinschaftsantrag wohl unter TOP 5 der Sitzung zu verstehen sei und dass sie das abgefragt hätte. In der nachfolgenden inhaltlichen Diskussion zu TOP 5 hatten Ratsmitglieder anhand mehrerer Wortmeldungen hervorgehoben, dass die Leitziele Tutzing 2030, also ein über den städtebaulichen Rahmen des ISEK hinausreichendes Gesamtkonzept, gewünscht sei. Durch die Wortmeldung von Dr. von Mitschke-Collande wurde beantragt, dass der Gemeinderat bei der Ausschreibung und der Vergabe der Gemeinderat mitwirkt, damit sichergestellt sei, dass im Rahmen des ISEK auch die Leitziele erarbeitet würden. Durch meine Wortmeldung wurde dann schließlich die Beschlussvorlage im dritten Punkt ergänzt wie folgt: „Die Verwaltung wird beauftragt, eine Leistungsbild für die Erarbeitung des ISEK zu erstellen und das Vergabeverfahren unter Einbeziehung des Gemeinderats hierzu einzuleiten.“ Im Ergebnis wurde also sichergestellt, dass das Leistungsbild für die Erarbeitung des ISEK um die Leitziele ergänzt wird. Die einzelnen diesbezüglichen Sitzungen werden dann logischer Weise mit dem Sieger des Vergabeverfahrens terminlich abgesprochen und durchgeführt. Das mit dem Antrag verfolgte Anliegen ist damit erfüllt, der Antrag ist damit erledigt – nicht zurückgezogen!
  • Der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Dr. Ernst Lindl (CSU), berichtete in einer Zusammenfassung über die örtliche Prüfung der Jahresrechnung 2020. Auf meinen Vorschlag hatte die Prüfung bereits im Sommer begonnen, nachdem die Jahresrechnung seitens der Verwaltung gelegt war. Im Einzelnen wurde berichtet wie folgt:
    • Bei der Prüfung der Einhaltung der Ansätze des Haushaltsplans wurden wie gewöhnlich Haushaltsüberschreitungen zunächst im Verwaltungshaushalt festgestellt. Im Hauptamt wurden hier die erhöhten Kosten für Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Übergabe des Gymnasiums und den Verhandlungen des Erbbaurechtsvertrags Midgardhaus genannt. Im Bauamt führten die aufwändigen Bebauungsplanverfahren zum Seehof, Midgardhaus und Heinrich-Vogl-Straße zu entsprechenden Überschreitungen. Die ungedeckten Haushaltsüberschreitungen im Verwaltungshaushalt des Liegenschaftsamts beruhten insbesondere auf nicht kalkulierten Zahlungen an den Abwasserverband. Die Haushaltsüberschreitungen im Vermögenshaushalt gingen im Wesentlichen zurück auf die Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen des Bauhofs. Die Überschreitungen seien begründet, der Rechnungsprüfungsausschuss empfehle deren Genehmigung.
    • Die Überprüfung von zahlungsrelevanten Beschlüssen des Gemeinderats und der Ausschüsse führte zu keinen Beanstandungen.
    • Hinsichtlich der Immobilien der Gemeinde gebe es nach wie vor kein Konzept für die wirtschaftliche Nutzung. Vor kurzem habe jedoch das damit befasste Gremium getagt.
    • Offene Punkte aus früheren Prüfungsberichten seien weitgehend abgearbeitet worden. Offen ist nach wie vor die Verwertung des Grundstücks Schulstraße in Traubing (Prüfungsbericht 2016). Bei der Einziehung der Zweitwohnungssteuer (Prüfungsbericht 2019) habe es keinen Fortschritt gegeben. In der Prüfung wurde festgestellt, dass die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer auf einem Gutachten aufsetze. Dieses zu allgemeine Gutachten werde nun überarbeitet. Es gebe einen Katalog von Qualifikationen, die eine Zweitwohnung aufweisen kann, um so zu einer hypothetischen Miete zu gelangen. Eine Verjährung von Ansprüchen aus Zweitwohnungssteuer werde erst zum Jahresende 2022 eintreten. Durch das neue Gutachten könne der „Range“ der erfassbaren Wohnungen erweitert werden und erlaube die Erfassung des „tatsächlichen“ Mietwerts, so der Ausschussvorsitzende. Dieses erlaube dann, alle offenen Vorgänge rechtzeitig zu erfassen. Das Gutachten wird Anfang des Jahres erwartet.
    • Allgemein zu dem Reparaturstau bei den gemeindlichen Liegenschaften empfahl der Ausschussvorsitzende die Prüfung, welche Maßnahmen finanziell und arbeitsmäßig überhaupt realisierbar seien und anschließend eine Priorisierung vorzunehmen.

    Der Ausschussvorsitzende empfahl, die Verwaltung zu entlasten.
    Ratskollegin Stefanie Knittl (SPD) berichtete, sie habe den Prüfungsbericht im Rathaus eingesehen und ihm entnommen, dass die Zweitwohnungssteuer für ein besonderes Objekt ab 2018 nicht festgesetzt wurde. Ihre Wortmeldung fasse ich zusammen: In der Sitzung des Gemeinderats im Juni wurde gefordert, dass die Verwaltung die Steuerbescheide für dieses Objekt zeitnah erlasse, es gebe die Verpflichtung der Verwaltung gem. Art. 106 der Bayer. Gemeindeordnung, die Steuern rechtzeitig zum Fälligkeitszeitpunkt zu erheben: Die Zweitwohnungssteuer seit eine Jahressteuer und sei jährlich am 1. Februar fällig. Die Verwaltung müsse bei einer Jahressteuer dafür Sorge tragen, dass die Steuer rechtzeitig zum Fälligkeitszeitpunkt eingenommen wird. Auch müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung beachten werden, denn jeder gewöhnliche Steuerpflichtige in Tutzing erhält seinen Steuerbescheid bereits innerhalb von 4-6 Wochen. In diesem Fall dauere die Bemessung z.B. für das Jahr 2018 aber schon fast 4 Jahre! Das sei auch für ein solches Objekt nicht angemessen, denn eine steuerlich fundierte Schätzung der Jahresnettokaltmiete über Makler dauere nur wenige Wochen. Auch wenn man freiwillig, so wie die Gemeinde, einen Gutachter zur Schätzung heranziehe, dauere das Ganze üblicherweise maximal 2 Monate. Seit der Sitzung im Sommer (08.06.2021) seien bereits 6 Monate vergangen. Dieser Verwaltungsvorgang sei für sie nicht akzeptabel und da dadurch unserer Gemeinde mindestens seit dem Haushaltsjahr 2020 insgesamt bereits ein wesentlicher sechsstelliger Betrag fehle, auch nicht zustimmungsfähig.
    In der anschließenden Replik räumte der Ausschussvorsitzende ein, die Verwaltung wusste zunächst nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Die Miete musste festgestellt werden, das allgemeine Gutachten war jedoch ungeeignet, so dass das Objekt nicht erfasst werden konnte. Das neue Gutachten sei komplex und benötige Zeit, es müsse belastbar und gerichtsfest sein. Damit könne das Objekt dann angemessen eingewertet werden. Die Befragung von ortskundigen Maklern wäre eine Option, doch weniger rechtssicher und daher abzulehnen.
    Geschäftsleiter Marcus Grätz schloss mit dem Hinweis ab, die Verwaltung nehme den Bericht zur Kenntnis, werde darauf reagieren und im Haupt-, Finanz- und Werkausschuss berichten.
    Die Jahresrechnung 2020 wurde gegen die Stimme von Stefanie Knittl festgestellt. Gegen die Stimmen von Stefanie Knittl und mir wurde die Bürgermeisterin entlastet. Einstimmig dagegen wurden die überpanmäßigen Ausgaben genehmigt.

  • Alina Hentschel wurde einstimmig zur Leiterin des Standesamts Tutzing ernannt. Die Übertragung der Leitung war vorher befristet und gilt nun auf jederzeitigen Widerruf.
  • Dies gilt auch die stellvertretende Leitung des Standesamts Tutzing durch Gabriele Heinzl.
  • Angesichts der Situation in der Pandemie wurde einstimmig beschlossen, dass der Stephaniritt 2021 nicht stattfindet.
  • Die Verwaltung hatte gebeten, hinsichtlich der Corona-Pandemie wie im vergangenen Jahr über mögliche Feuerwerksverbote an bestimmten Plätzen über Silvester zu beraten. Der Geschäftsleiter Marcus Grätz wies auf die Problematik hin, eine umfangreiche Allgemeinverfügung zu erlassen. Es gelte an Slivester und Neujahr ein Versammlungsverbot. Damit sei das Thema soweit abgedeckt, dass die Gemeinde nicht handeln müsse. Dies nahm der Gemeinderat zur Kenntnis.

Unter Mitteilungen und Anfragen, Verschiedenes gabe die Bürgermeisterin bekannt, dass die Stromtankstellen am Kino und an der Evangelischen Akademie in Betrieb genommen wurden. Zum Thema Corona wurde – den Haupt- Finanz- und Werkausschuss bestätigend – einstimmig beschlossen, dass bei Sitzungen des Gmeinderats und der Ausschüsse die 3G-Regel gilt, für Zuschauer die Regel 3Gplus. Von der Einführung der Regel 2G werde vom Staatsministerium abgeraten, so die Bürgermeisterin.

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