Es fällt nicht einfach etwas vom Himmel, wird dann Gemeinwohl-Ökonomie genannt und funktioniert auf Anhieb; vielleicht sogar gleich nach einer Sitzung des Umwelt-, Energie- und Verkehrsausschusses am 16.07.2019.

Es ist für die Gesamtlage von Vorteil, wenn ein mit unterschiedlichem Interesse und Verständnis versehenes Gremium sagt, das Thema sei erstens willkommen und zweitens auf jeden Fall zu verfolgen.

Wir als TUTZINGER LISTE verstehen gut den im Gemeinderat vorgetragenen Gedanken. Er entspricht unserem grundsätzlichen Verständnis zum Wirtschaften. Nicht ohne Grund wurde in den vergangenen Jahren mehrfach von mehreren Seiten betont, eine Einheit als Gebietskörperschaft öffentlichen Rechts könne auch nach unternehmerischen Aspekten geführt werden.

Sehr vereinfacht aber gesagt und dargestellt: Neu ist an den Gedanken gar nichts, sie werden in der Betriebswirtschafts-/Managementlehre seit fast fünfzig Jahren gelehrt. Gelehrt unter dem Oberbegriff Stakeholder-Orientierung. Im Gegensatz dazu steht, jeden Euro so lange umzudrehen, bis ausschließlich die höchste Rendite herauskommt.

Nun aber wurde zu den Gedanken eine Vorgehensweise entwickelt, von der gesagt werden kann, sie könne tatsächlich umgesetzt werden. Es muss allerdings der politische Wille zum Umsetzen auf allen Seiten vorhanden sein.

Stakeholder, was ist das? Darunter sind zu verstehen alle Kräfte, die am gedeihlichen Fortgang eines Unternehmens/Vorhabens interessiert sind. Das sind interne Stakeholder eines Unternehmens wie die Mitarbeiter einschl. Management und natürlich die Eigentümer. Externe Stakeholder sind die Kunden, die Lieferanten, die Fremdkapitalgeber, die Gesellschaft und der Staat.

Warum der übersetzte Begriff „Anspruchsgruppen“ anstelle Stakeholder nicht verwendet wird, ist hier jetzt nicht von Bedeutung.

Die Interessen aller am Unternehmen direkt und indirekt Beteiligten unter einen Hut zu bringen, das ist Gegenstand umsichtigen Handelns von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, zumeist sind diese auch in Interessenvertretungen organisiert. Übrigens sind häufig auch Kunden und Lieferanten in eigenen Organisationen vertreten … und je nachdem, wer seine Interessen am besten (damit ist auch Nachhaltigkeit gemeint) artikuliert und deren Umsetzung unter Beachtung der genannten externen Anspruchsgruppen verfolgt, dient überzeugend einer Politik des Vorgehens, die ganz klar im Gegensatz steht zu heutigen Schlagworten wie Neomerkantilismus oder Neoliberalismus.

Anders ausgedrückt: Die Zeiten der höchsten Quartalsrendite um jeden Preis, „Profitmaximierung durch Ausbeutung und weltweite Steuerverkürzung“ wären vorbei.

Das Anliegen der Rathausleitung, den Gemeinderat mit außerhalb Tutzings gemachten Erfahrungen in den ersten Schritten des Projekts „Gemeinwohl-Ökonomie“ zu befassen, ist ein großer Schritt in eine bereits absehbare Richtung. Diese wird bestimmt durch z.T. die Programme einzelner NGOs und just die Parteien, die derzeit Antworten auf Fragen suchen, die sie seit nun eben auch fast dreißig Jahren kennen.

Ein Beispiel: Um das Instrument „europaweite Ausschreibungen“ intelligent zu nutzen, hat die Bundesregierung 2011 eine Stelle geschaffen, die es den Kommunen trotz EU-Bestimmungen ermöglicht, nach Einhaltung bestimmter Kriterien auch ausschließlich mit regionalen Anbietern zu arbeiten. Das ist ein starker Beitrag zur Gemeinwohl-Ökonomie! 1. Bürgermeister Helmut Dinter aus Wessobrunn hat dies bestätigt und praktiziert es bereits!

Bei intensiverem Suchen ist in der deutschen Unternehmenswelt des z.B. Mittelstandes, der also zumeist von Eigentümer-Unternehmern geführt wird, seit Jahren der Ansatz zu finden, der jetzt Gemeinwohl-Ökonomie genannt wird. Man spricht nicht darüber, das wird einfach gemacht. Und das mit Erfolg!

Wir sind uns sicher, ein Gedankenaustausch mit anderen Gemeinden wird zeigen, wie sehr die gesamthafte Betrachtung zum Nutzen Aller ist. Die Fachwelt nennt das dann Best Practice, auch seit über 30 Jahren bekannt und praktiziert. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Anwendungsfall dafür.

Zum Winter hin schließen viele Mittelständler ihre Bücher und blicken auf das neue Geschäftsjahr. Etliche Firmen zeigen im Vor- oder Nachspann ihrer Jahresberichte, welchen Stellenwert bereits dort der Gedanke Stakeholder-Orientierung hat.

Wir werden Sie weiterhin darüber informieren. Schließlich wird die Wirtschaftlichkeit zum Nutzen aller Beteiligten (Stakeholder!) auch in der kommenden Kommunalwahlzeit ein Themenfeld sein.

TL-Redaktion

 

One Reply to “Gedanken zur Gemeinwohl-Ökonomie”

  1. US-CEOs bekennen sich zu Stakeholder Value; nicht nur Tutzings Verwaltung denkt darüber nach!
    (CEO, Chief Executive Officer, fast vergleichbar mit deutschem Vorstandsvorsitzenden)
    https://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/business-roundtable-us-ceos-bekennen-sich-zu-stakeholder-value-a-1282762.html

    Mittlerweile steht’s in allen Zeitungen, neue Zeiten werden anbrechen! Natürlich großartige!
    Die genannten US-CEOs machten ihre unglaublichen Vermögen mit nahezu einer einzigen Leistung, dem Handeln von Informationen und zumeist in Verbindung mit dem Verkaufen irgendeiner in Fernost hergestellten Ware. Mit prallgefüllten Taschen hat man gut reden; nach neuen Beratungsfeldern und Geschäftsmodellen suchende Unternehmensberater werden den CEOs das erzählt haben, was in großen Zusammenhängen denkende und lehrende Betriebswirtschaftler schon seit vierzig Jahren vermitteln, es sogar manchmal auch so nannten, der Stakeholder-Ansatz sei von überlebenswichtiger Bedeutung. Stakeholder: Einbezug aller für das Unternehmen relevanten Beteiligten/Faktoren. Plötzlich wären z.B. Mitarbeiter nicht mehr nur Kosten, es wären Menschen, wie auch die Zulieferanten und Kunden! Selbst die Umwelt rücke in den Mittelpunkt des Handelns.

    Der Wettbewerbsvorteil der deutschen Unternehmerschaft liegt auch darin, dass eigentümergeführte Unternehmen es schafften, sich jene Unternehmensberater vom Hals zu halten, die nichts anderes in ihrem Portfolio hatten als das Wunderding Shareholder-Orientierung, die primäre Ausrichtung auf die Anteilseigner. Die Skepsis der Auftraggeber, die nahezu blind dem Trend folgten, Prozesse und Strukturen so lange zu optimieren, bis alles fremdbeschafft und die Kernkompetenzen auf jeder Unternehmensfahne stehen, wurde genommen, indem die nadelgestreiften Prozessoptimierer nach Abschluss des erfolgreich abgewickelten Entschlackungsprogramms zugunsten eben jener Anteilseigner in den dortigen Vorstand einstiegen. Nicht ohne Grund, weil durchsetzt von Beratern, sind heute nahezu alle Dax-Unternehmen auf das Geschäftsmodell der vorher tätigen Berater, zumeist mit US-amerikanischer Grundhaltung, ausgerichtet. Stimmige Vierteljahres-Zahlen und das 400fache Einkommen eines Facharbeiters…, koste es, was es wolle.
    Nun kommen unsere Dax-Unternehmen und die auf der Privatisierungs-Strecke gebliebenen Versuchskarnickel wie Deutsche Bahn und andere dem Gemeinwohl dienende Einrichtungen (früher auch Post oder Gesundheitswesen genannt) in Schwierigkeiten. Ebenso viele Betriebswirtschaftler und Marktfundamentalisten, zumeist in Wirtschaftsforschungsinstituten zu finden. Vor 15 Jahren predigte man dort den Weg in die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft, man schämte sich überhaupt nicht dafür, die Industriegesellschaft als Sache von vorgestern zu bezeichnen. Seit kurzem nun wird die Industriegesellschaft wiederentdeckt; sogar von Leuten, die davon -weil selbst diese Gesellschaft nie erlebt- nicht die geringste Ahnung haben. Die sogar einer fortgesetzten Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge das Wort reden und nicht einmal davor zurückschrecken, Teile der Bundeswehr auf Eignung für betriebs- und volkswirtschaftliche Experimente zu prüfen.
    Warum so ein langer Vorspann zum TL-Artikel Gemeinwohlökonomie?
    Gemeinwohlökonomie? Beeindruckende Idee, gewiss überzeugend, nun reden sogar die davon, die mit Facebook, Wegelagerer-Leistung, unerlaubtem Abgreifen von und Handel mit Daten Milliarden-Einkünfte (nicht Umsätze!) erzielten.
    Es fehlt der Glaube daran, Politikmacher, Dax-Vorstände (allerschlimmstes Beispiel: Bayer-Monsanto), transnational agierende Unternehmensberater würden einer plötzlichen aus dem Hut gezauberten und damit neuen US-amerikanischen Mode, dem Wechsel vom Share- zum Stakeholder-Modell, folgen. Die Geschäftsgrundlage unserer eigenen Politiker wäre nun nämlich dahin. Wofür können denn CDU/CSU/FDP dann noch kämpfen? Deren Grundhaltung „Rendite über alles“ folgte der Heilslehre transnational agierender Unternehmensberater und deren Vertriebsagenten in den Fakultäten für Betriebs- und Volkswirtschaft.

    Es ist nachvollziehbar, wenn im Tutzinger Gesamtgemeinderat ein Nachdenken und nicht eine sofortige reflexionsarme Zustimmung erfolgte.
    Immerhin lösten die Zeitungsartikel der letzten Tage die Frage aus, wann dem Handeln der Herren Zuckerberg, Bezos und Co Einhalt geboten wird. Es ist verdächtig, dass just jene, die weltweit schamlos das System ausnutzen, nun dazu übergehen, das System verändern zu wollen.
    Wie schnell CEO-Bekenntnisse sich zu Spruchblasen entwickeln, zeigt die Meldung vom 27.08.2019, Brasilien und USA (Regenwald Arktis!) werden große Teile der Waldflächen endgültig für eine massive industrielle Ausbeutung freigeben.
    Mit Gemeinwohl hat dann das, was die brasilianische und US-amerikanische Politik wollen und auch durchsetzen werden, nichts mehr zu tun.
    HF

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