Die Frage einer Gemeinderätin zum Werteausgleich beim ISEK sorgt für Diskussionen. Die vorOrt.news berichten ausführlich über die betreffende Sitzung im Gemeinderat: „Sanierung kann Einheimische Geld kosten: Kommune kann Werteausgleich verlangen – Bei Tutzinger ISEK Vorgehensweise noch offen“. Uns erscheint ein Werteausgleich im Tutzinger ISEK jedenfalls auf den ersten Blick nicht plausibel. Warum?
Erhebung Ausgleichsbetrag nach Art. 154 BauG ist Pflicht der Gemeinde
Leider konnten wir keinen Baurechtsexperten zu diesem Thema beauftragen (als rein ehrenamtlicher Verein haben wir dafür keine Mittel), aber nach kritischer eigener Durchsicht des Art.154 BauG kommen wir zunächst zu dem (leider abweichenden) Ergebnis, dass, die Gemeinde verpflichtet ist – also „muss“ und nicht nur „kann“- von den Eigentümern im “förmlich festgelegten Sanierungsgebiet” einen Ausgleichsbetrag zu verlangen, wenn es zu einer Bodenwerterhöhung kommt. Wenn wir weiter  „nur“ unseren gesunden Menschenverstand anwenden, dann sehen wir die Anwendung dieses Artikels für Tutzing zumindest fragwürdig. Warum?
Kann es beim Tutzinger ISEK tatsächlich zu einer Bodenwerterhöhung kommen?
Das Tutzinger ISEK dient der insgesamten Aufwertung der Gemeinde und damit der Lebensqualität aller Tutzinger. Schaut man sich die Defizite im Tutzinger Sanierungsgebiet genauer an, dann geht es unserer Meinung nach eher um funktionelle Wiederherstellung und (im Hinblick auf die unterlassenen Investitionen der Vergangenheit) eher um eine Werterhaltung. Wenn wir also z.B. einen vitalen Ortskern (“Marienplatz”) als Ergebnis des ISEK erhalten oder einen Radweg vom Bahnhof zum See, oder ganz einfach endlich nur sichere Gehwege und reparierte Straßenlöcher. Kann es dann wirklich sein, dass die Eigentümer von Grundstücken z.B. an der Hauptstraße (hier der vitale Ortskern) einen Ausgleichsbetrag zahlen müssen? Haben sie tatsächlich einen höheren Bodenwert durch diese Art der funktionellen Wiederherstellung der Ortsmitte? Uns erscheint das nicht plausibel. So eine „Substanzabgabe“ für die Eigentümer müsste jedoch begründet sein. Denn es würde sich jedenfalls um aus Sicht der Eigentümer unrealisierte Werterhöhungen handeln.
Würden solche Ausgleichszahlungen in den vorgenannten Fällen anfallen, wäre das nach unserer Meinung ein großes Hemmnis eines ISEK. Das ISEK in Bayern ist aber gerade DAS erfolgreiche Instrument der Ortsentwicklung. Also haben wir uns gefragt, was der Gesetzgeber eigentlich mit Art. 152 – 156 BauG überhaupt bezweckt hat. Was ist also Sinn und Zweck des Werteausgleichs?
Trifft Art. 154 BauG auf den Tutzinger Sanierungsumgriff überhaupt zu und wenn ja wo?
Logisch ist zunächst, dass durch den Werteausgleich die Allgemeinheit entlastet werden soll, denn die Sanierung zahlen „alle“ Steuerzahler (Gemeinde und Förderung durch Bund und Länder). Im Leitfaden der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatministerium des Innern haben wir jedoch noch folgende Erklärung gefunden:

„Um den städtebaulichen Mißständen in den alten Stadtquartieren zu begeg­nen, wurde mit dem Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) 1971 ein beson­deres Sanierungsrecht geschaffen. Die wesentlichen Bestimmungen des StBauFG – so auch die Erhebung von Ausgleichsbeträgen – sind seit 1987 als „Besonderes Städtebaurecht“ Bestandteil des BauGB. Inzwischen sind mit Hilfe dieses Sanierungsverfahrens und den Finanzhilfen der Städtebauförderung in unzähligen Städten, Märkten und Gemeinden alte Quartiere erneuert, den heutigen Wohn- und Arbeitsverhältnissen angepaßt und wieder mit Leben erfüllt worden. Sehr viele Sanierungsverfahren sind inzwischen abgeschlossen.

Ist durch die Gesamtmaßnahme einer Sanierung ein heruntergekommenes Stadt- oder Dorfgebiet verbessert und erneuert worden, dann gewinnt die­ses Gebiet wieder an Attraktivität. Wohn- und Geschäftswert und damit auch die Bodenwerte sind in der Folge oft gestiegen…“

Unser Zwischenfazit: In Tutzing gibt es zwar Einiges zu sanieren, aber „alte Quartiere erneuern, den heutigen Wohn- und Arbeitsverhältnissen anpassen und wieder mit Leben zu füllen“ und „heruntergekommenes Stadt- oder Dorfgebiet“ passte wohl zu dem im Gemeinderat als Beispiel genannten Fall in Leipzig (dort gab es Steigerung der Bodenwerte). Aber wohl eher nicht zu dem jetzt gewählten Tutzinger Untersuchungsumgriff „östlich der Bahngleise“***? Auch heißt es doch, dass „sehr viele Sanierungsverfahren inzwischen abgeschlossen sind“. Also bewahren wir bitte jetzt alle Ruhe und gehen am 18.10.2023 ab 19:30 Uhr ins Roncallihaus. Dort werden die Erste Bürgermeisterin und die ISEK-Beraterin Martina Schneider wohl eine Aussage treffen, wenn überhaupt, welche Grundstücke unter den Art. 154 BauG im Tutzinger Sanierungsumgriff fallen könnten.

*** Der Umgriff für die Voruntersuchung (dargestellt im Beitragsbild) umfasst grob die Fläche östlich der Bahngleise. Sie reicht vom Ortseingang im Norden (ohne das Gebiet „Schorn“) bis zu den Sportanlagen im Süden. Hinzugenommen wurde ein kleines Gebiet westlich der Bahngleise einschließlich des Grundstücks vom Beringerheim.

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