Der Internethandel boomt. Er liefert alles aus dem Katalog per Knopfdruck, preiswert – und schon morgen klingelt der Zusteller. Was nicht passt, geht zurück. Die Spediteure boomen mit. Der Einzelhandel in Dorf und Stadt aber zittert. Kaufhäuser ebenso wie Apotheker, Buchhändler. Boutiquen, Schmuckhändler, Sportgeschäfte… bald auch vom Gemüsehändler bis zum Discounter alle, denn schon liefert Amazon Gelbe Rüben, Getränke, Salat und Prager Schinken ins Haus. Früh bestellt, mittags geliefert. Kein Mensch muss noch vor die Haustür oder gar zum Wirt: lieferando bringt jede gewünschte Mahlzeit heiß ins Haus, da kann der Pizzadienst einpacken.
Toll? Ja, für Behinderte schon. Die steigenden Umsätze der Branche lassen vermuten, dass bald 80% aller Deutschen behindert sind: zu faul, selbst aktiv zu werden. Das Ergebnis wird uns schaudern lassen: leere Läden, tote Gasstätten, öde Straßen! Selbst Banken lassen das Gitter runter, denn ihre Kunden sitzen daheim am Laptop. Das per Internet bestellte Bargeld bringt ein Bote… bis wir keins mehr brauchen, weil wir es nirgends loswerden.
Auch Tutzings Einzelhändlern macht die Entwicklung große Sorge und sie fragen sich, wie schnell dieser Prozess sie zum Aufgeben zwingt – oder ob es Möglichkeiten gibt, erfolgreich gegenzusteuern. Dabei haben sie das Gefühl, mit dem Thema „Handel im Wandel“ alleine gelassen zu sein. Dabei hat der Gemeinderat Referate für Wirtschaft sowie für Ortsplanung eingerichtet und der Landkreis eine Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft. Doch niemand kümmert sich um die Probleme des Einzelhandels und zeigt Lösungen auf. Wann drückt da endlich wer auf den Notfall-Knopf?
Heute auf n-tv unter Wirtschaft:
Bröckelnder Putz, gähnende Leere. Amerikas „Shopping Malls“ in der Krise.
Onlinehändler wie Amazon boomen – auf Kosten der stationären Händler. Auch in den USA leidet der Einzelhandel unter der Abwanderung der Kundschaft. Doch die Entwicklung hat gerade erst begonnen, etliche Branchenriesen geraten in Gefahr.
Nachdem attestiert wird, in der Sache richtig zu liegen, liegt der Schluss nahe, im Stil wieder wie üblich falsch zu liegen. Welcher Stil (Stiel) muss eigentlich gewählt werden, bis hiesige Nachtmützen aufwachen und sich der Angelegenheit annehmen? Die Angelegenheit kann nicht mehr nur energisch verwaltet werden, sie muss aktiv angegangen werden. Überparteilich, wobei der Anstoß von jener Partei kommen müsste, die vorgibt, sich in solchen Dingen auszukennen. Es betrifft nämlich Tutzing insgesamt! Lehrstühle befassen sich mit dem Sterben und der Umstrukturierung von Gemeinden, haben sogar offene Türen für Fragesteller. Muss man der klammen Verwaltung ein Ticket nach München bezahlen, damit in der TU nach Lösungsansätzen geschaut werden kann? Hinweis, falls Berührungsängste bestehen: Sprechen Sie dortigen Pressesprecher dazu an, der hat zu dem Thema nicht die Füße auf dem Tisch liegen.
HF
In der Sache liegt Herr Fulcyk richtig !
In der ganzen Diskussion um die Ausgestaltung der Hauptstraße gibt es sehr viel konsumptive Anspruchshaltung. Die Radfahrer, die Fußgänger, die Autofahrer – alle haben sie widersprechende Ansprüche an den Öffentlichen Raum der Straße. Ein Kompromiss ist diffizil. Aber die Lösung kann auch nicht darin liegen, die Kfz-Parkflächen vor dem Einzelhandel in der Hauptstraße zu eliminieren. Die Tutzinger Hanglage sowie die Altersstruktur der Bevölkerung bedingen das Auto zum Einkaufen. Wenn alle zukünftig direkt zum Aldi und Edeka fahren, wird unser Tutzing evt. eine flotte aber leere und einsame Hauptstraße haben. Also einige investive Überlegungen zur Stärkung unseres internetbedrängten Einzelhandels wären schon angebracht.
Ob das Rathaus in diesem Sinn lernfähig ist ??
Ortsentwicklung – in Frage gestellt
Der „Wandel im Handel“ hat Deutschland seit Jahren im Griff. Besonders prekär in den neuen Bundesländern, aber auch im Ruhrgebiet. Im kaiserlichen Badeort Bad Ems standen schon 1995 zahllose Läden in bester Lage leer.
Uns in Tutzing plagt das Thema verhältnismäßig leise aber auch schon seit Jahren. Zuerst wurde das beliebte sardische Restaurant La Torre in Wohnungen umgebaut. Der Andechser Hof verfault. Das Sportlerstüberl ebenso. Die Sportgaststätte in der Greinwaldstraße abgerissen, im Rehm-Haus statt Coiffeur und Ristorante Wohnungen, im einst zentralen Friseurgeschäft italienisches Bistro. Auch der Handel: seit Jahren im Wandel. Statt einem Kramerladen ein Aldi, wo ein Fachgeschäft verschwindet, werden Backautomaten aufgestellt, vielleicht noch ein Bankautomatenladen gefällig, ein Pilatus- oder Karate-, ein Tattoo- oder Nagelstudio, noch eine Boutique, statt Schuhhaus Krimskrams – lauter „lebenswichtige“ Unternehmen. Es fällt vielleicht schon gar nicht mehr auf: Leerstand und Verfall gibt es seit Jahren auch in der Mitte der Hauptstraße. Sie hat längst ihren vor 40 Jahren noch vorhandenen Charme verloren. Also was nun?
Zuerst ist die Frage zu klären, ob es nicht vielleicht gut ist wie es ist? Ob 3 x Edeka plus Aldi, Lidl, Rossmann und ein flotter Pizzaservice vielleicht doch alle glücklich machen? Dann der Verdacht, dass unangebracht hohe Mieten/Pachten der Grund für viele Geschäftsaufgaben sind. Nicht zuletzt auch, was „den Tutzingern“ für Angebote wirklich fehlen?
Bei diesen Fragen fühlen sich Händler und Gastronomen meist allein gelassen. Weder die im obigen Beitrag dezidiert genannten „Fachleute“ haben bisher Aufklärung oder gar Hilfe angeboten. Freie Beratung ist zu teuer und „selber machen“ birgt großes Risiko.
Als vor einem Jahr in der Presse und bei der Bürgerversammlung die visionären Entwürfe der Architekten für die neue Hauptstraße gezeigt wurden, gab es viel Spott. Doch abgesehen davon, ob sie sich realisieren lassen, zeigten sie de facto eine Chance für Tutzings Mitte auf: ein bewohnbares, gemeinsam genutztes Zentrum. In einer solchen Atmosphäre macht es Sinn, neu zu beginnen. Wo sich die Gemeinschaft triff, treffen sich auch Käufer. Und hier bekommt der Käufer, was kein Online-Händler liefern kann: persönliche Beratung, persönliche Bedienung, ein paar persönliche Worte an der Kasse – und Kontakte mit Menschen, die man kennt.
Genau an dieser Stelle des Standes von heute wäre es nötig, dass Gemeinde und Landratsamt Wirtschafts-Moderatoren aufbieten, die eine tragfähige Verbindung zwischen Vermietern und an Verkaufsraum interessierten Unternehmern herzustellen vermögen. Die auch den Kundenbedarf kennen und in der Lage sind, entsprechende Anbieter einzubinden.
An diesem Punkt zeigt sich, ob das Behörden-Versprechen einer gezielten Ortsentwicklung ernst zu nehmen oder nur heiße Luft ist.
Helge Haaser, Passau
Wann drückt da endlich wer auf den Notfall-Knopf?
Niemand wird auf den Knopf drücken!
Solange im Gemeinderat nicht jemand aus dem realen sog. Tutzinger Wirtschaftsleben vertreten ist, wird nichts passieren. Solange Verwaltung und Gemeinderat völlig beratungsresistent sind, wird niemand mehr die Lage ansprechen. Tutzing dümpelt wie Starnberg vor sich hin; Tutzing hat noch nicht einmal das Stadium der Nachdenklichkeit erreicht. Tutzing braucht keinen Lobbyisten irgendeines Wirtschaftsverbandes als Einsager des Gemeinderates. Tutzing braucht einen realen Tutzinger Gewerbetreibenden aus Groß- und Einzelhandel, der sich in ungeschminkter Form in Fragen der Ortsentwicklung aus Sicht hiesiger Gewerbetreibender kundig macht, zur TUM fährt und dort nachfragt, welche Nahtod-Erfahrungen niederbayr. Gemeinden machten und wie sie die Kurve bekamen. Vorausschauende Ortsentwicklungsplanung könnte das dann genannt werden. Von einer total überlasteten Verwaltung mit einem nachgeschalteten Gemeinderat ist so etwas wohl nicht mehr zu erwarten.
HF