Schon in der Schule hat es mir Spaß gemacht, mich mit Worten auszudrücken. Reden konnte ich auch, aber schreiben war toller: Es gab so viele Möglichkeiten! Und so viele Worte. Aber an ein Unwort erinnere ich mich nicht. Ein Unwort ist kein Wort, weil ein Unsinn keinen Sinn hat. Mein großer Helfer, der Duden, aber kennt das Wort Unwort und bezeichnet es als „unschönes, unerwünschtes Wort“. Wozu wählt man in Deutschland ein „Unwort des Jahres“? Ist das Dekadenz oder einfach nur Blödheit? Weil es vielleicht keine wichtigeren Themen gibt?
Also „Volksverräter“ wurde heute von irgendwelchen Klugscheißern zum Unwort „gekürt“. Kennen Sie einen? Nein, nicht Klugscheißer sondern Volksverräter? Ach doch, die Amis haben einen: den Snowden, den der neue US-Präsident aber für einen glaubwürdigen Zeugen hält. Die Russen haben vielleicht auch einen, aber den kenn’ ich nicht. Nein, Schröder ist es nicht. Aber wer hat in den letzten 70 Jahren das deutsche Volk verraten? Das Thema bewegt mich so, dass ich es beim Abendessen vor der ganzen Familie ausbreite. Unsere Große überlegt nicht lang und sagt „die meinen die von der Pegida und die Motzer der AfD“. Mein Franz sagt, „nein, so einfach ist das nicht, eher umgekehrt: die von Pegida und AfD meinen die Merkel, weil sie Flüchtlinge aufgenommen hat, ohne Genehmigung der AfD.“ Manchmal ist unser Jüngster am nächsten dran: „Mamaaaa, nun gib doch Ruh! Pfeif auf das Unwort und sag‘ endlich Guten Appetit.“ Hab’ ich dann gesagt.
Ihre Conny Bimslechner
Das war wohl die Baumschule, auf der die Konstanze das Holzen und Schnitzen gelernt hat. Der zuhilfe genommene Duden gibt nämlich lediglich das wieder, was über zehn Jahre lang sich im Sprachgebrauch festigte und dann halt im Duden steht.
Das Denken verroht, damit einhergehend die Sprache. Zum Glück, denn durch die Sprache und das Schreiben ist zu erfahren, was die Leute so im Kopf haben. Täglich zu besichtigen im Fernsehen, vorgetragen zumeist durch Folksfertreter (Ludwig Thoma, Josef Filzer). Es kann gar nicht genug darauf verwiesen werden, was mit Sprache alles angerichtet und unterlassen werden kann. Konstanze sollte mal einen Ausflug in die Linguistik, Rabulistik und Neurolinguistische Programmierung machen. Dann würde sie feststellen, wie wichtig es ist, „Unwörter“ rechtzeitig zu erkennen und zu verstehen, wer warum diese anwendet.
Bestes Anschauungsmaterial dürften die Schatten kommender Wahlveranstaltungen werfen.
Übrigens halte ich das von Konstanze angesprochene Thema (Merkel, Flüchtlinge, AfD, Pegida) nicht für glossengeeignet. Nach den verbalen Unfällen der letzten Tage (Österreich, Dreikönigstreffen) wäre trotz der Faschingseröffnung etwas mehr Nachdenken angesagt.
Guter Appetit? Eher nicht.
HF