In Tutzing fallen seit 2018 Bürgermeister- und Kommunalwahlen auseinander. Mit einem einheitlichen Wahlrhythmus wäre Tutzing aber gut beraten. Darum hat die Tutzinger Liste e.V. angestoßen, die Wahlen von Bürgermeister und Gemeinderat in 2026 wieder zusammenzuführen. Dafür hat sie den gesetzlichen Weg, die Amtszeitverkürzung des am 26.11.2023 gewählten Ersten Bürgermeisters mit erneuten Antritt zur Wahl in 2026, vorgeschlagen. In der daraufhin erfolgten Umfrage des Merkur, haben sich die Sprecher der FDP, SPD und ÖDP ebenfalls für eine Wahlzusammenlegung ausgesprochen – die Antworten der Sprecher der Freien Wähler und der CSU enthält der Bericht nicht (Merkur vom 16.2.2023). Dieser einfache Weg scheint jedoch in Tutzing trotz des überwiegenden Zuspruchs zu scheitern: Die Erste Bürgermeisterin Marlene Greinwald besteht auf eine volle Amtszeit von sechs Jahren. Damit wollen wir uns nicht zufrieden geben und haben nach Lösungen gesucht. Eine Variante wäre die Amtszeitverlängerung – also doch keine Wahlen am 26.11.2023? Dies alles der Reihe nach erklärt:

Das Wahlgesetz sieht nur eine Möglichkeit: Freiwillige Amtszeitverkürzung
Das Wahlgesetz sieht nur eine Möglichkeit (Art. 42 Abs. 3 GLKrWG) vor, die Tutzing wieder den üblichen Rhythmus von gemeinsamen Wahlen bescheren würde: Der im November frisch gewählte Amtsbürgermeister verkürzt freiwillig seine Amtszeit einmalig auf ca. zwei Jahre und tritt erneut bei den Kommunalwahlen 2026 an. Für diese einfache Lösung steht aber die bislang einzige BM-Kandidatin (Freie Wähler) nicht zur Verfügung. Die mögliche Lösung hatte die TL-Schatzmeisterin Vorlíčková vorgeschlagen: am 9.2.2023 mittels Kommentar auf vorOrt.news und anschließend im Interview mit der SZ – siehe SZ vom 12.2.2023. Die Amtszeitverkürzung basiert also nicht auf einer „Erinnerung des Grünen-Gemeinderat Bernd Pfitzner“, wie der Merkur vom 16.02.2023 missverständlich berichtete.

Erste Bürgermeisterin Marlene Greinwald besteht auf Amtszeit von 6 Jahren
Außer der amtierenden Ersten Bürgermeisterin Marlene Greinwald, gibt es derzeit noch keinen anderen Kandidaten für die Bürgermeisterwahl am 26. November 2023 in Tutzing. Nach Aussage der Vorsitzenden der Freien Wähler, Verena von Jordan – Marstrander, wurde die Kandidatur von Greinwald noch nicht zur Abstimmung gebracht, sie bekräftigt aber, dass man mit ihrer Amtsführung sehr zufrieden sei. So die Antwort auf eine entsprechende Nachfrage des online-Portals vorOrt.news. Greinwald selbst hat jedoch bereits angekündigt, auf die volle Amtsperiode von sechs Jahren zu bestehen. Für eine Harmonisierung der Wahlen in unserer Gemeinde steht sie damit nicht zur Verfügung.

Was spricht nach Greinwald gegen die Harmonisierung?
Zu den rationalen Vorteilen einer zusammengeführten Wahl äußerte sich Greinwald bei Ankündigung ihrer Kandidatur nicht; sie rechtfertigte ihre Kandidatur für eine „volle“ Amtszeit lediglich mit dem Hinweis auf Baden-Württemberg, wo die Wahlen grundsätzlich getrennt sein sollen. Aufgrund von Wortmeldungen aus der Bürgerschaft, die für die Zusammenführung plädierten, erläuterte die Schatzmeisterin der TL Lucie Vorlíčková, die freiwillige Amtszeitverkürzung als gesetzliche Lösung (Kommentar auf vorOrt.news vom 9.2.2023). Aufgrund ihres Kommentars hakte die SZ bei der TL nach, aber auch bei Greinwald, ob diese bereit wäre ihre Amtszeit zu verkürzen. Diese bestätigte gegenüber der SZ ihre Kandidatur über volle sechs Jahre und begründete dies wie folgt: „eine gewisse Kontinuität an der Spitze der Verwaltung (tue der Gemeinde) nach vielen schwierigen Jahren zuvor gut“ (SZ vom 12.2.2023).

Das Argument der Ersten Bürgermeisterin überzeugt den Bürgerverein nicht
Zum Argument der „Kontinuität an der Spitze der Verwaltung“, haben wir eine konträre Meinung: Gerade diese Kontinuität haben wir in Tutzing. Denn der Verwaltungsleiter (Marcus Grätz) und die leitenden Verwaltungsangestellten (insbesondere die wichtigen Schlüsselpositionen des Bauamtsleiters (Christian Wolfert) und der Kämmerin (Manuela Goldate) bleiben unverändert. Und auch der Gemeinderat – das Kontrollogan. Also die Kontinuität in der Leitung der Tutzinger Verwaltung sowie deren Kontrolle wäre unverändert gegeben. Zu den „vielen schwierigen Jahren zuvor“ können wir keine Hinweise finden – weder in Presseberichten noch in Protokollen aus den Gemeinderatsitzungen. Dies wäre zu konkretiseren. Auch leitet die Erste Bürgermeisterin die Geschicke des Rathauses de facto schon länger als sechs Jahre – näheres dazu unten.

Die Vernunft spricht klar für die Wiederzusammenführung in Tutzing
Wie Greinwald persönlich der SZ gegenüber erklärt, ist ein Wahlkampf für eine Gemeinde und eine Verwaltung “sehr einschneidend”. Dem stimmen wir voll zu und werden konkret. Für den üblichen (einheitlichen) Wahlrhythmus gibt es nämlich rationale Gründe:

  1. Allein aufgrund der knappen finanziellen und personellen Ressourcen der Gemeinde ist die Zusammenführung für unsere Gemeinde erforderlich. Siehe den jüngst veröffentlichten “absoluten Sparhaushalt” 2023. Unsere Gemeinde hat schlichtweg weder das Geld noch das Personal, um auf ewig alle ca. 3 Jahre Wahlen zu veranstalten.
  2. Zudem bindet ein Wahlkampf nicht unerheblich den Fokus der Kandidaten – es bleibt also weniger Zeit und Energie für die eigentliche Arbeit im Rathaus. Denn der Amtsbürgermeister ist natürlich auch bei den Kommunalwahlen für „seine“ Partei unterwegs. Also alle ca. drei Jahre wäre der Arbeitsfokus des Amtsbürgermeisters von einem Wahlkampf abgelenkt.
  3. Die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen liegt allgemein höher als bei „nur“ Bürgermeisterwahlen. Unsere Bürgermeisterwahlen bekämen durch die Zusammenführung also eine Aufwertung. Das belegen auch die Zahlen der Vergangenheit: Wahlbeteiligung bei zusammengelegten Wahlen in 2008 66,8% und 2014: 62,48%, bei der reinen BM-Wahl in 2018: 57,9% bzw. in der Stichwahl 55,1%.

Tutzing ist mit getrennten Wahlen schlecht beraten
Wir halten daher an unserer Meinung fest. Falls in Tutzing künftig weiter Wahlen bereits alle ca. drei Jahre stattfinden, bedeutet dies in „einfacher Sprache“ die Vergeudung von Steuergeldern und infolge die Vergeudung (sowieso knapper) Finanz- und Personalressourcen der Gemeinde, die für wichtige andere Investitionen und Arbeiten benötigt werden. Dazu kommen die negative Beeinträchtigung der Arbeitseffizienz des hauptamtlichen Ersten Bürgermeisters (Ablenkung vom Hauptamt durch Wahlkampf alle ca. drei Jahre) und eine wahrscheinlich geringere Wahlbeteiligung und Wahleffizienz (bitte keine “ US-Verhältnisse“ in Tutzing).

Appell zu altruistischem und vernünftigem Handeln an alle Akteure
Was der Gemeinde Tutzing für die Zusammenführung der Wahlen jetzt also bleibt, ist „nur“ der Wille der politischen Akteuere, dem Gemeinwohl zu dienen – und die (vernünftigen) Handlungen der Partei der Freien Wähler und des Gemeinderats.

Zu den Freien Wählern: Eine Abstimmung über die Bürgermeister-Kandidatur gab es bei den Freien Wählern noch nicht. Es bleibt also ein Fünkchen Hoffnung, dass die Freien Wähler dieses Problem fūr sich erkennen (Kommunalwahl 2026) – und ihre Kandidatin noch überzeugen können. Denn Greinwald wurde mittels der erforderlichen Sonderwahl in 2018 in das Amt der Ersten Bürgermeisterin gewählt. Es wäre daher angemessen, falls sie am 26. November im Amt bestätigt würde, dass auch sie diejenige ist, die für eine Zusammenführung sorgen und damit ein effizientes Wahlsystem in Tutzing wiederherstellen würde. Alles andere könnte sich auf das Wahlergebnis der Freien Wähler bei den Kommunalwahlen in 2026 negativ auswirken. Denn man kann die Bürger wohl nicht ungestraft um Verständnis fūr unterlassene Investitionen,  „absolute Sparhaushalte“ und schmelzende Rücklagen bitten und andererseits offenkundig Geld- und Personalressourcen verschwenden – nur weil der abgestimmte Kandidat persönlich den Wiederantritt zur Wahl ablehnt. Die Partei der Freien Wähler trägt hier Verantwortung.

Zum Gemeinderat: Aber auch der Gemeinderat trägt Verantwortung. Er muss sich des Problems annehmen und (auch) in einer öffentlichen Sitzung behandeln. Der Gemeinderat sollte der Ersten Bürgermeisterin seinen Wunsch nach Wahlzusammenführung klar zum Ausdruck bringen – dies Kraft seines Amtes als gewählter Vertreter der Gemeindebürger. Möglichkeiten, seinem Wunsch effektiv Nachdruck zu verleihen, gibt es für den Gemeinderat genügend. Die politische Tastatur könnte hier gut bespielt werden. Andere Gemeinden haben das Dilemma auch erkannt und gebannt – indem Amtsbürgermeister und Gemeinde GEMEINSAM diese entscheidende Frage zugunsten der Gemeinde geklärt haben. Die Ankündigung der Ersten Bürgermeisterin ohne vorherige Konsultation mit dem Gemeinderat finden wir irritierend.

Daher unser Appell: Die Wahlzusammenführung in 2026 ist von übergeordneter Bedeutung für die Gemeinde Tutzing. Wir appellieren an die Erste Bürgermeisterin Marlene Greinwald, die Partei der Freien Wähler und den Gemeinderat (sowie eventuell andere BM-Kandidaten sowie die die BM-Kandidaten nominierenden Parteien), in Tutzing für eine Wahlzusammenführung in 2026 Sorge zu tragen. Dazu gibt es nach Art 42 Abs. 3 GLKrGW nur eine gesetzliche Möglichkeit: Freiwillige Amtszeitverkürzung und, falls erwünscht, den erneuten Antritt zur Wahl in 2026.

Wenn sich aber unser Appell an Altruismus und Vernunft nicht durchsetzt?
Für den Fall, dass die Amtszeitverkürzung scheitert, haben wir eine Amtszeitverlängerung der Ersten Bürgermeisterin bis zu den Kommunalwahlen 2026 vorgeschlagen. Ja, wir Bürger haben ein Wahlrecht – aber keine Pflicht. Wollen wir Tutzinger tatsächlich eine Bürgermeisterwahl schon am 26.11.2023? Die Vernunft spricht aus heutiger Sicht dagegen, denn:

Wir haben die besondere Situation, dass wir jetzt de facto keine Wahlmöglichkeit haben – denn es fehlt an einem Gegenkandidaten. Jedenfalls hat sich seit dem Amtsantritt von Greinwald keine Persönlichkeit in Tutzing öffentlich als Alternative positioniert. Alle Parteien haben keinen Kandidaten – auch unser Bürgerverein nicht. Die CSU will zwar einen Kandidaten stellen – sucht aber noch, da die zwei aussichtsreichsten Kandidaten laut Pressemeldung nicht zur Verfügung stehen sollen. Und bei den GRÜNEN meint Gemeinderat Bernd Pfitzner (selbst BM-Kandidat; 2018 18% – 818 Stimmen) nur: „Schaun mer mal“. Aber das ist alles zu sehr „last minute“. Wir haben die Situation, dass die Amtszeit der Ersten Bürgermeisterin Marlene Greinwald de facto jetzt schon länger als 6 Jahre dauert – nämlich eingerechnet ihrer kommissarischen Vertretung (zusammen mit der damaligen Zweiten Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg) während der Amtsperiode des leider verstorbenen Ersten Bürgermeisters Rudolf Krug.

Die Verlegung der Wahlen und damit die (weitere) Amtsverlängerung von Greinwald bis zur Kommunalwahl 2026 wäre für Tutzing in der gegebenen Situation jedenfalls die effizienteste Lösung. Die Amtszeitverlängerung kommt bei den Parteien nicht gut an (siehe Merkur vom 16.02.2023). Ja, bei dieser Lösung gibt es rechtliche Hürden. Aber Hürden können überwunden werden. Wozu sonst haben wir Gemeindebürger die kommunale Selbstverwaltung – immerhin ein Grundprinzip der Demokratie – und wir Menschen unsere Vernunft?

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Exkurs: Einschaltung des Landrats ist keine gesetzliche Lösung
Die Schatzmeisterin der TL hatte aufgrund einer Sekundärquelle zunächst noch als zweite gesetzliche Möglichkeit die Antragstellung des Landrats im Kreistag vorgeschlagen. Diese Möglichkeit gibt es nach Prüfung der Primärquelle (Art. 42 Abs. 3 GLKrWG – siehe Kommentierungen Pfitzner/Vorlíčková auf vorOrt.news vom 16.2.2023) jedoch nicht. Der Gesetzgeber springt nach unserer Auffassung dabei jedoch zu kurz: Denn die Wahlzusammenführung, eine für Gemeinde und Verwaltung „sehr einschneidende Sache“, hängt gesetzlich also nur vom Wohlwollen einer einzigen Person ab: dem Amtsbürgermeister – der sich bei dieser Abwägung als Mensch naturgemäß in einem Interessenkonflikt zwischen Eigen- und Gemeinwohl befindet. Dies bedeutet, den Bürgern, die eine Zusammenführung wünschen, bleibt nichts anderes übrig, als einen anderen Kandidaten zu wählen – den, der eine Amtszeitverkürzung und den Antritt zur Wiederwahl nicht scheut. Aber auch das kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Denn schließlich gibt es inzwischen viele Gemeinden, die nur einen Bürgermeisterkandidaten haben (Tutzing gehört de facto dazu) oder: die anderen Kandidaten überzeugen nicht. Im letzteren Fall hat der Bürger tatsächlich nur die Wahl zwischen zwei (oder mehreren) „Übeln“. Eine Änderung des Art. 42 Abs. 3 GLKrWG anzustreben wäre daher richtig, hilft uns jetzt aber nicht weiter, da Gestzesänderungen bekanntlich lange dauern.

Exkurs: Vernunft
Der in diesem Artikel verwendete Begriff Vernunft meint das geistige Vermögen des Menschen, Zusammenhänge zu erkennen, zu beurteilen und sich danach sinnvoll und zweckmäßig zu verhalten.

Presse (ein Auszug):

vorOrt.news 08.02.2023: Wahltermin wird angekündigt – Bürger und Schatzmeisterin der TL melden sich zu Wort 

Süddeutsche Zeitung 09.02.2023: Konkurrenzlose Kandidatin
Süddeutsche Zeitung (online) 12.02.2023: Kritik am Tutzinger Wahlmodus
Süddeutsche Zeitung (print) 13.02.2023: Kritik am Tutzinger Wahlmodus
Merkur 14.02.2023: Effizienter Wahlmodus
Merkur 16.02.2023: Längere Amtszeit kommt bei Parteien nicht gut an
vorOrt.news 20.02.2023: Viele wollen Wahlzusammenführung
vorOrt.news 20.02.2023: Wo ist der Weg zur Wahl-Harmonisierung
vorOrt.news 20-02-2023: Appell an Freie Wähler und den Gemeinderat

 

 

 

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