Vertagt wurde die Billigung 4. Änderung des Bebauungsplans Nr. 8 „Zwischen Mozartstraße und Benediktenweg“ in der derzeitigen Fassung. So die Ankündigung der 1. Bürgermeisterin Marlene Greinwald in der Sitzung des Bau- und Ortsplanungsausschusses (BOA) am 16.05.2023. Die Eigentümer der betroffenen Grundstücke hätten weitere Unterlagen von Bedeutung eingereicht, die über diejenigen hinausgehen, die der vorbereiteten Abwägung zugrunde lagen. Diese Unterlagen müssen geprüft und ggf. eingearbeitet werden. Die Verschiebung wurde einstimmig beschlossen.
Weitere Punkte der Sitzung:
- Die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 76 „Brombeerweg“ ist bereits vor 15 Jahren beschlossen worden; der Plan ist seitdem in Bearbeitung. Hintergrund sind wasserrechtliche Probleme, insbesondere der Hochwasserschutz. Nun geht es um den Teilbereich 3 in Bezug auf die Einrichtung eines Postverteilszentrums. In der Sitzung am 13.09.2022 war dem Antrag auf Vorbescheid das gemeindliche Einvernehmen erteilt worden. Bauamtsleiter Christian Wolfert führte aus, dass es konkret nun um die Umnutzung zu einem Postverteilstützpunkt ginge. Die Flächen seien als Mischgebiet im nördlichen und als Gewerbegebiet im südlichen Bereich ausgewiesen. Ein südlicher Grundstücksteil, auf dem Stellplätze erreichtet werden sollen, sei im Flächennutzungsplan als „Flächen für die Landwirtschaft“ ausgewiesen. Die Verwaltung sehe hier Innenbereich, das Landratsamt aber planungsrechtlichen Außenbereich und sei der Meinung, der Vorbescheid sei nicht genehmigungsfähig, ein Bebauungsplan also notwendig.Nach mehreren Besprechungen zwischen Bauwerber, beteiligten Architekten, Kreisbauamt, Verwaltung und Wasserwirtschaftsamt wurde als gemeinsamer Nenner die Lösung gefunden, einen sogenannten „Briefmarken-Bebauungsplan“ nur für das betreffende Grundstück aufzustellen (Teilbereich 3). Die Bürgermeisterin erinnerte daran, dass es hier um Daseinsvorsorge gehe, das Gebiet eben ein kleines Gewerbegebiet – außerhalb des Landschaftschutzgebiets – sei und die Anlage erträglich gestaltet werde.
So wurde einstimmig ein Empfehlungsbeschluss für den Gemeinderat gefasst: (1) Aufstellung eines „Briefmarken-Bebauungsplan“ für den Teilbereich 3 mit Durchführungsplan und Vorhabens- und Erschließungsplan, (2) Beauftragung der Kanzlei Arnecke-Sibeth-Dabelstein mit der rechtlichen Beratung und (3) Übertragung des Verfahren einschließlich Satzungsbeschluss an den Bau- und Ortsplanungsausschuss. Über die Priorität dieses Bebauungsplans werde dann im Gemeinderat entschieden.
- Ergänzend wurde die 30. Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich des Bebauungsplans Nr. 76 Teilbereich 3 hinsichtlich der Einrichtung eines Postverteilzentrums einstimmig beschlossen.
- Zum Neubau eines Mehrfamilienhauses im Bereich der Wohnanlage Am Bareisl hatte eine Ortsbesichtigung stattgefunden. Die Verwaltung sieht hier die Schließung einer Baulücke, die an drei Seiten umbaut ist, und damit planungsrechtlichen Innenbereich. In der Sitzung erläuterte Stefan Schmidt, Geschäftsführer der Münchner Eigenheimbau GmbH, das Vorhaben anhand einer Präsentation, erstellt vom Architekturbüro Luehrs & Bachmann, Bad Füssing. Errichtet werden sollen 21 Wohnungen sowie eine Tiefgarage mit 64 Stellplätzen, die auch für die rd. 100 übrigen Wohnungen nutzbar sein werde. Geplant seien Erdgeschoss, 1. und 2. Obergeschoss und ein holzverkleidetes Dachgeschoss mit begrüntem Flachdach bei gleicher Firsthöhe. In der Umgebung gibt es vorherrschend flach geneigte Satteldächer. Die Fassaden sollen teilweise begrünt werden, Photovoltaik sei vorgesehen, ebenso ein Regenwasserzisterne.Vom Bauwerber angeboten wurde, bis zu 14 Wohnungen im Bereich der Wohnanlage zu vergünstigter Meite anzubieten, um in Tutzing bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Auf Nachfrage erklärte Stefan Schmidt, in der gesamten Anlage läge die Durchschnittskaltmiete bei 12,50 Euro/m², die Neuvermietung bei 16,00 Euro/m². Der Ausschuss nahm die Ausführungen des Bauwerbers zur Kenntnis und beauftragte die Verwaltung, das Angebot zur Sozialbindung einiger Wohnungen zu prüfen. Dies als Empfehlung an den Gemeinderat.
- Dem Antrag auf Vorbescheid zur Bebauung des Grundstücks Fl.Nr. 254/6 Am Höhenrain 6 lag der einfache Bebauungsplan aus dem Jahr 1957 „Katholische Kirchenstiftung östlich der Bergwiesenstraße“ zugrunde. Dieser regelt nur die Bauräume, die Dachneigung von 20-23° und die Traufhöhe von 3,20 Metern. Das Grundstück umfasst 1.710 m² und ist gegenwärtig mit einem Gebäude bebaut. Grundsätzlich sei eine Neubebauung innerhalb der Festlegungen des rechtsverbindslichen Bebauungsplans möglich. Der Bauraum umfasse immerhin eine Fläche von 25 x 15 Metern. Weitere Baubeschränkungen seien nicht erkennbar, es lägen auch keinerlei Befreiungen vor. Vor diesem Hintergrund wurden die 10 gestellten Fragen einstimmig mit JA bzw. NEIN beantwortet. Für das Gebäude selbst gebe es im Bauamt allerdings keine Unterlagen.
- Mit dem Antrag auf Baugenehmigung zum Umbau des Dachgeschosses und zur energetischen Sanierung des bestehenden Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in der Deutenbergstraße 4 in Traubing hatte sich der Ausschuss bereits mehrfach beschäftigt, zuletzt in der Ausschusssitzung am 18.10.2022. Gegenüber der Planung vom 26.07.20222 wurde der Antrag vom 04.04.2023 noch einmal überarbeitet. Er sieht den Abbruch und die Drehung des bestehenden Daches vor, so dass im Dachgeschoss eine Einliegerwohnung realisiert werden kann. Die Firsthöhe werde dabei geringfügig auf 8,90 Meter erhöht. Der Anbau einer Außentreppe sowie das neue Dach erhöhen die Grundfläche leicht. Die Wandhöhe nimmt durch die flachere Dachneigung (25°) deutlich auf 7,01 Meter zu, so dass das Gebäude nach Norden hin dreigeschossig in Erscheinung tritt. Aus Sicht der Verwaltung sei in optischer Hinsicht die Drehung der Firstrichtung positiv zu betrachten. Da das Grundstück im planungsrechtlichen Außenbereich liege und nach § 35 BauGB zu beurteilen sei, entscheide das Landratsamt, ob diese Erweiterungen im zulässigen Maß liegen; insbesondere werde die zweite Wohneinheit geprüft werden. Einstimmig wurde dem Antrag das gemeindliche Einvernehmen erteilt.
Anwohner Position zu Punkt: Neubau eines Mehrfamilienhauses im Bereich der Wohnanlage Am Bareisl.
Danke der Tutzinger Liste für die Zusammenfassung des TOP 6, der am Dienstag dem Bauausschuss präsentiert wurde.
Bei einem 21-Wohneinheiten umfassenden Wohnblocks ist schon zu Beginn die gewählte Bezeichnung „Mehrfamilienhaus“ zu hinterfragen.
Der geplante, zusätzliche Wohnblock, wäre im Vergleich zu den beiden angrenzenden Wohnblöcken mit 12 bzw. 15 Wohneinheiten fast doppelt so groß (+75%) bzw. 40% größer.
Zur Ortsbesichtigung lässt sich sagen, dass diese von Anwohnern beobachtet wurde und unmittelbar vor der Sitzung des Bauausschuss stattfand. Am Dienstag, den 16.05.23 um ca. 16:00 Uhr hat es in Tutzing in Strömen geregnet. Inwieweit die Mitglieder des Bauausschuss in der Lage waren, die Auswirkungen des Neubauprojekts auf dieses Areal mitsamt des Naturspielplatzes richtig zu erfassen, lässt sich hinterfragen. Keines der sonst anwesenden bis zu 30 Kindern oder Erwachsene konnten den Wert dieser natürlichen Oase bzw. des Gemeinschaftsgartens angemessen vermitteln. Die Nutzung des Gemeinschaftsgartens durch alle Eltern, Hundebesitzer, Spaziergänger und sonstige Natur-Genießer war nicht ersichtlich und es könnte der Eindruck eines ungenutzten Areals entstanden sein oder noch schlimmer, der „einer Baulücke, die an drei Seiten umbaut ist“. Es handelt sich um die Gemeinschaftsfläche für 200 Anwohnerinnen, Familien, Kinder, Alleinstehende, Rentnerinnen, Hundebesitzer und andere Naturverbundene. Ein zwingend benötigter, gesellschaftlicher und sozialer Raum, der das gute Miteinander in einer Wohnanlage dieser Größenordnung sicherstellt. Kinder können mit Abstand zu nahen Anwohnern spielen ohne Ärger zu erzeugen, der soziale Frieden ist durch dieses Areal gesichert.
Hr. Schmidt berichtete bereits von vergangenen Bauplanungen. Warum diese gescheitert sind wurde nicht erwähnt.
Bislang besteht die Wohnanlage aus 2x 3 in U-Form angelegten Wohnblöcken, denen JEWEILS genügend Grünfläche – zieht man pauschal die Anwohnerzahl der jeweils 3 Wohnblöcke heran – zur Verfügung stehen.
Die Vernichtung dieser Fläche aus Gründen der sozialen Wohnraumschaffung ist äußerst fraglich.
An dieser Stelle möchte ich mich nochmal für die – durch die Tutzinger Liste durch ständige und konsequente Protokollierung geschaffene – Transparenz bedanken.
Eine derzeitige Durchschnittskaltmiete i.H.v. 12,50€/qm ergibt sich einzig aufgrund der jahrzehnte-alten Mietverträgen, die teils noch aus der Bundeswehrzeit stammen. An dieser Stelle unternahm Marlene Greinwald kurz den Versuch kritisch zu hinterfragen. Die Frage nach dem durchschnittlichen Mietpreis der Neuvermietungen, die für dieses Neubauprojekt größere Relevanz haben sollte, wurde in der Bauausschusssitzung am 16.05.23 von niemandem gestellt. Die derzeitige Kaltmiete bei Neuvermietung in der Wohnanlage beläuft sich auf 15-16€ /qm Kaltmiete. Inwiefern man bei diesem Mietpreis von sozial sprechen kann sei dahingestellt. Für Tutzing moderat. Dass es sich um „sozial“ handelt, scheint per Eigendefinition in diesem Fall entschieden worden zu sein. Auf die Nachfrage von Christine Nimbach, die von sozialem Wohnraum für 10-12€ Kaltmiete/qm in Tutzing sprach, wurde deutlich gemacht, dass dies aus heutiger Investoren Sicht nicht machbar ist.
Es ließt sich dementsprechend so, als ob ein neuer Wohnblock geschaffen würde, der zu ortsüblich hohen Mietpreisen – anders scheint ein Projekt dieser Größenordnung bei gestiegenem Zinsniveau nicht finanzierbar – geschaffen werden soll. Die großzügigerweise anstatt 10,5 (bei 21 neuen Wohnungen) geplanten 14 sozialen Wohnungen (16€ Kaltmiete) sollen sich dafür auf die gesamte Wohnanlage verteilen. Dies scheint nichts anderes zu bedeuten, als dass die – womöglich durch eine jahrelange Baustelle bedingt – frei-werdenden Wohnungen, nach Renovierung, zum derzeitig in der Anlage herrschenden Mietniveau von 16€, weitervermietet werden.
Auch die Aufteilung der vorrangig geplanten kleinen Wohnungen (nur eine geplante 4 -Zimmer Wohnung, die langfristig genug Platz für eine 4-köpfige Familie bietet) spricht nicht für ein Angebot an junge Familien. Doch darüber müsste man sich in der Gemeinde freuen, würde der Zuzug 21 – oder auch nur 10 – neuer Familien mit Kindern, Tutzing, angesichts der überstrapazierten Betreuungslage in Kindereinrichtungen und Klassengrößen der Grundschüler, vor derzeit kaum lösbare Aufgaben stellen.
Der Bau einer Tiefgarage, um die Parksituation zu entspannen, kann auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, lässt man die hunderte Quadratmeter umfassende Flächenversiegelung, die Gefahr für den bereits offensichtlich abrutschenden Bareislgraben, die Abholzung dutzender Bäume wie Ahorn oder Tanne, die Auswirkung auf die angrenzenden Vogelbrutgebiete, und die möglichen negativen Auswirkungen auf die Entwässerung bei Starkregen durch den Bareislgraben, außenvor.
Doch die genaue Betrachtung zeigt das Problem. 64 Tiefgaragenstellplätze stehen im Raum. Die größte Tiefgarage in Tutzing? Bei 21 neuen Wohnungen mit ca. 1,5 PKW pro Haushalt (= 31,5) bleiben 33 Stellplätze für die alten Wohnungen. Bei gleichzeitigem Verlust von ca. 20 Parkplätzen durch Bau der Tiefgarage ergeben sich nur noch 13 zusätzliche Stellplätze, die angesichts des durch 31 neue PKW im Gebiet Bareisl, Zugspitzstraße, Traubinger Straße entstehenden Verkehrsengpasses keinen großen zusätzlichen Nutzen haben. Zumal, im Vergleich zu heute, eine kostenpflichtige Neuvermietung der Stellplätze unterstellt werden kann. Das zusätzliche Verkehrsaufkommen durch eine Verkehrsführung über die Mozartstraße zu entlasten kann niemand befürworten.
Anstelle dessen wäre die einzig sinnvolle Lösung für die Parksituation, die am Bareisl existierenden Garagen des letzten Jahrhunderts durch moderne Duplexgaragen zu ersetzen. Mind. 16 zusätzliche Stellplätze bei gleicher PKW Anzahl würde definitiv eine Entlastung der Parksituation schaffen. Doch wahrscheinlich nicht finanzierbar, ebenso wie die energetische Sanierung des Bestands (Wärmedämmung), der Umbau der Ölheizung oder die Installation von PV auf den übrigen Dachflächen.
Ja, die Planung einer PV Anlage auf dem Neubau ist zu begrüßen, hat man doch in der Gemeinde vor kurzem per Gemeinderatsbeschluss das gemeinsame Ziel gefasst, die Anstrengungen in Richtung Klimaneutralität 2035 zu erhöhen. Doch kann dieser besonderen Anstrengung des Eigentümers die Diskussion über eine ohnehin ab 2025 in Bayern diskutierte Solarpflicht für derartige Neubauten entgegengesetzt werden.
Also Standard anstatt lobenswerte Eigeninitiative?
Für Tutzing stellt sich anhand dieses Mega-Projekts erneut die Frage nach der Zukunftsvision des Ortes. Zusätzlicher Wohnraum um jeden Preis, trotz der jahrzehntelangen Erfahrungen, dass die blind bejahte Wohnraumschaffung, ohne Gesamtkonzept, nicht zu niedrigeren Mieten führt, gleichzeitig aber immer neue Herausforderungen mit sich bringt?
Aufgrund der außergewöhnlichen Lage des Ortes mit Seezugang, der Nähe zu den Alpen und München, in Kombination mit der hervorragenden öffentlichen Anbindung, dem Erholungswert (wenngleich kontinuierlich abnehmend) und des tatsächlich geografisch begrenzten Raums, wird es in Tutzing nie, und ich wiederhole nie, zu einem größeren Angebot kommen als es Nachfrage gibt. Das ist nicht vorstellbar. Zumindest, sofern man den Erholungswert der Verdichtung nicht vollkommen opfert. Vermutlich wäre die Verdichtung eines Tages der wahrscheinlichste Grund, warum die Nachfrage nach Wohnraum auch bei uns in Tutzing sinken könnte. Doch auch das scheint unrealistisch. Realistisch erscheinen stabil hohe, mit Inflation zunehmende Mieten, zunehmende Gentrifizierung – wie exemplarisch am Bareisl stattfindend – und abnehmende Lebensqualität für alle in Tutzing lebenden. Ist das unsere Vision in Tutzing?