Tutzing entwickelt sich wirtschaftlich erfreulich gut. Damit diese Entwicklung anhält und auch nachhaltig wirkt, muss das Geschehen sehr aufmerksam beobachtet werden. Unsere Gespräche am Samstags-Markt zeigten, wie groß das Interesse der Tutzinger an der Lage und deren zukünftiger Entwicklung ist. Ein „Geschehen“ sagt schon vom Wort her, dass etwas geschieht. Besser ist, das Geschehen so beeinflussen zu können, dass es ein gesteuerter Prozess wird, der eben nicht dem Zufall überlassen bleibt.
Daher soll vorgehensmäßig ein kleiner Kunstgriff vorgenommen werden. Zur Analyse der Lage bietet es sich an, Tutzing gedanklich in einen Absatz- und Wertschöpfungsmarkt zu zerlegen.
Tutzing ist aus Sicht aller Gewerbetreibenden ein hochinteressanter Absatzmarkt für Waren und Dienstleistungen. Nicht ohne Grund haben wir derart viele Anbieter vom Discounter bis zum Fachgeschäft, über den Kleingewerbetreibenden bis zu den Immobilienmaklern. Hochinteressant aus Sicht der Anbieter, weil Tutzing ein kaufkräftiges Publikum verspricht, nahezu 10.000 Kunden (Abnehmer, Verbraucher, Investoren).
Tutzing aus Sicht derjenigen, die hier leben, ihre Arbeitskraft, ihre Dienstleistung anbieten und damit verkaufen wollen, ist ein Wertschöpfungsmarkt. Wem der Begriff „Wertschöpfungsmarkt“ etwas fremd vorkommt, der sei daran erinnert, dass jeden Tag in den Nachrichten in großen Artikeln über die Wertschöpfungsketten quer durch die Welt berichtet wird.
In Tutzing gibt es ca. 2.200 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die also in Tutzing am Ort selbst tätig sind (Einpendler eingeschlossen; dazu ca. 700 Auspendler in Nachbarorte). Diese Beschäftigten haben auch einen Blick darauf, wie Tutzing sich ihnen darstellt und welche Attraktivität Tutzing besitzt, hier im Ort zu arbeiten und ggfs. zu leben (Quelle: Statistik kommunal 2014, Gemeinde Tutzing 09 188 141, hrsg. im Juli 2015).
Nimmt man die Zweiteilung in Absatz- und Wertschöpfungsmarkt und betrachtet man die Gegenwart mit der Frage, wie das wohl in naher und mittlerer Zukunft aussehen wird, dann bieten sich viele Gedanken zur Zukunft Tutzings an.
Wir wollen das Gespräch mit den Tutzingern fortführen, indem wir auf dem Feld WIRTSCHAFT gemeinsam mit Ihnen die Situation und mögliche kommende Veränderungen behandeln wollen. Zwangsläufig wird hierbei das Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht zwischen Angebot an Waren und Dienstleistungen und deren Nachfrage angesprochen werden; dabei spielen Flexibilität und Preisniveau eine bedeutende Rolle.
Geheimnis Tutzinger Wirtschaft
Das Thema Wirtschaft scheint nicht Thema im Gemeinderat zu sein. Wenn man davon absieht, dass natürlich auch die 100 Bauvoranfragen und Bauanträge, die die Verwaltung offenbar bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit beschäftigen, letztlich in den Bereich Wirtschaft fallen. Doch das ist Reaktion. Unauffällig, von den Medien unbegleitet, ist – wenn es die denn gibt – die Aktivität der Gemeinde. Und ihre Informationspolitik. Überall hört man die Frage „wie es wohl mit dem Seehof weitergeht“ oder „ob die Gemeinde zum Andechser Hof mehr als Hoffnungen hat“. Wo ein neues Gewerbegebiet entstehen könnte oder wo eine Erweiterung eines solchen möglich ist. Einzelne befragte Tutzinger Gewerbetreibende leben in den Tag hinein. Die Filialleiter der „Großen“ wie Aldi, kik, Lidl, Rossmann, Tengelmann äußern sich nicht. Haben ja auch keine Ahnung. Wirtschaft in Tutzing? Ein spannendes Thema!
HH
Vor etlichen Jahren diskutierte der Tutzinger Gemeinderat sehr intensiv über die damals schon absehbare Überversorgung Tutzings mit Discountern und Märkten. Die Überversorgung wurde mit Zahlen belegt, die Folgen wurden beschrieben. Zwei Gemeinderäte sagten damals dann freudig erregt und für den Rest der Räte nachvollziehbar, Wettbewerb belebe das Geschäft, der Verbraucher hätte den Vorteil. Basta!
Bestehende und hinzukommende Tutzinger Märkte oder Einzelhandelsgeschäfte treten nun so lange in den Wettbewerb ein, bis sich alle auf einem Preisniveau wiederfinden, auf dem niemandem mehr das Geschäft mittelfristig Spaß macht. Die Schließung von Märkten und Geschäften ist absehbar. Leerstände und Geisterhallen sind übrigens heute schon zu besichtigen. Lehrstunden (exorbitante Mieten, aus dem Ruder laufende Kosten) sind hingegen immer noch nicht verstanden.
Pro Monat sieben Kilogramm der Zeitung beigelegte Werbung (z.B. Schweineschnitzel unklarer Herkunft, geschenkt für € 0,99) mit dem jeweiligen Hinweis, günstiger ginge es nicht! Das zeigt, was völlig falsch verstandener Wettbewerb bedeutet. Begrüßt durch Gemeinderäte, die Wettbewerb und dessen Auswüchse vermutlich nur vom Hörensagen kennen.
Filialleiter: Sehr wohl haben die Filialleiter Ahnung. Hätten sie keine, wären sie längst ihren Knochen-Job los. Dürfen sie mit ihrer Ahnung in die Öffentlichkeit gehen, erlauben das die HQ-Führungsstrukturen?
Nicht die Supermärkte verursachen den Wahnsinn; es sind die Gemeindeverantwortlichen, die nicht in der Lage sind, Rahmenbedingungen festzulegen und durchzuhalten, damit derartige Wildwest-Methoden mit Märkten an jeder Ecke gar nicht erst einreißen können. Wer jetzt sagt, der Schreiber sei Planwirtschaftler, hätte vom Marktgeschehen keine Ahnung und sei zudem übler Sozialist, der liegt völlig richtig.
Der Schreiber macht lediglich das, was viele tun. Er wundert sich, weswegen in Tutzing nicht das möglich ist, was manch andere Gemeinden können. Nämlich in die Zukunft schauen und Schaden durch Weitblick und Augenmaß abwenden.
Das Thema ist spannend, lieber Vorredner HH. Wir werden uns noch begegnen!
HF