Benötigen wir einen zweiten Drogeriemarkt in Tutzing?
Die geplante Verkaufsflächenerweiterung im 1. Obergeschoss des im Süden Tutzings gelegenen Tengelmanngebäudes für einen zweiten Drogeriemarkt war das beherrschende Thema der Sitzung des Gemeinderats am 03.05.2016. Dem liegt ein gebilligter Entwurf einer 5. Änderung des Bebauungsplans zugrunde.
Das Thema wurde an den Bau- und Ortsplanungsausschuss (zurück-)delegiert. Dort werden Fragen der Notwendigkeit eines Drogeriemarktes und der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Sortimentsbeschränkung – zugunsten des Einzelhandels im Ortszentrum – vorbehandelt.
In diesem Zusammenhang soll auch der Fremdkörper der Außenrolltreppe besprochen werden. Diese Rolltreppe, an sich bereits genehmigt, ist wartungsanfällig und verunstaltet das optisch ordentliche Gebäude.
Grundsätzlich, so meine Meinung, ist die Ansiedlung eines Drogeriemarktes eine unternehmerische Entscheidung, die Einigkeit zwischen dem Betreiber (DM-Drogeriemarkt) und dem Vermieter der Flächen voraussetzt. Hier einzugreifen durch Grundsatzüberlegungen zur Notwendigkeit eines zweiten Drogeriemarktes an sich und durch Einschränkungen von Sortiment und Flächennutzung, ist zunächst nicht marktgerecht. Ob ein zweiter Drogeriemarkt in Tutzing Erfolg hat oder nicht, entscheiden dann die Kunden. Sobald Bürgermeister Rudolf Krug (ÖDP) den Punkt auf die Agenda setzt, werden wir im Bau- und Ortsplanungsausschuss intensiv und sicher teilweise grundsätzlich diskutieren, um für den Gemeinderat einen Vorschlag zur Entscheidung zu erarbeiten. Das Landratsamt hat sich kritisch zum Bebauungsplan geäußert und festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Festsetzung eines Einkaufzentrums aus aktueller Sicht nicht vorliegen. Ebenso hat die Regierung von Oberbayern darauf hingewiesen, dass die Bebauungsplanänderung nicht den Vorgaben des Landesentwicklungsplans entspricht. Das müssen wir sauber aufarbeiten.
Unter „Mitteilungen und Anfragen, Verschiedenes“ fragte ich in der Sitzung des Bau- und Ortsplanungsausschusses am 22.06.2016 nach dem Sachstand zum zweiten Drogeriemarkt im Süden Tutzings. Wie erinnerlich, war dieses Thema und der zugrundeliegende Bebauungsplan in der Gemeinderatssitzung am 03.05.2016 besprochen und sodann an den Bau- und Ortsplanungsausschuss (zurück-)delegiert worden. Nach Auskunft von Bürgermeister Rudolf Krug und Bauamtsleiter Klaus Menzinger wird das Thema in der nächsten Sitzung des Ausschusses auf der Tagesordnung stehen (27.07.2016). Die offenen Punkte einschl. der Stellungnahmen des Landratsamts und der Regierung von Oberbayern werden aufgearbeitet und der Ausschuss kann dann nach Abwägung die Änderung des Bebauungsplans beschließen. Auch die Außenrolltreppe, ein „Blinddarm“ lt. meinem Kollegen Dr. Hellmut Kirchner, könne in diesem Zusammenhang zur Diskussion gestellt werden. Eine mögliche Sortimentsbeschränkung für den Drogeriemarkt, so der Bürgermeister, solle keine Marktbeschränkung sein. Man wolle den Einzelhandel schützen, ein zweiter Drogeriemarkt wäre ohne Probleme möglich, da gäbe es keinen Schutz. Dies gehöre auch zum Konzept „Vom Bahnhof zum See“, über die Hallberger Allee, wo man den Einzelhandel sehe.
WBR
Interessant!
Man wolle den Einzelhandel selbstverständlich schützen und den Schutz genießt er dann in der zur wettbewerbsfreien Zone erklärten Hallberger Allee. Außerhalb des geschützten Gebiets darf sich aber ein Großmarkt ansiedeln. Für wie einfallsreich halten sich die Erfinder dieser Lösung und wie eigentlich macht man das dann den Verbrauchern klar, wo sie gefälligst einzukaufen hätten?
Willkommen im Naturschutzgebiet Hallberger Allee. Liebe Leute Mittelständler und Kleinunternehmer, in der Hallberger Allee ist gut geschützt Geschäfte machen möglich!
HF
Die kühle Abwägung von Herrn Gemeinderat Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg ist political correctness. Doch wie sehen wir Bürger das? Das wiederum sollte Aufgabe der Gemeinderäte sein zu prüfen und – wenn nicht dumm – danach zu handeln.
Wer in Tutzing Nachbarn, Freunde und Kollegen fragt, ob WIR noch einen Drogeriemarkt brauche, hört ein klares NEIN.
Drei Tengelmänner, ein Aldi und ein Lidl bieten außer wenigen Spezialitäten alle Drogeriewaren von der Seife bis zu „Drogen“, also nach früherer Lesart: Gesundheitstees, an. Jetzt haben wir zusätzlich Rossmann: Einen sogenannten Drogerie-Vollsortimenter, der aber, was ihn eigentlich nichts angeht, auch Säfte, Büromaterial, Bücher, Weine, Schnaps (als Droge?), Tierfutter etc. verkauft. Nun, so denkt man, sollte es doch eigentlich genug sein. Aber nein: aus Wettbewerbsgründen (Nachziehen gegenüber Rossmann) und weil es im Tengelmann-Haus an der Lindemannstraße seit Jahren Leerstand gibt, tritt mit dm ein neuer für den Vermieter wertvoller Player auf. Brauchen WIR nicht, sagen die Tutzinger. Es wird spannend sein, ob der Gemeinderat für „die Freiheit des Marktes“ oder für seine ihn gewählt habenden Bürger entscheidet.
Wie wäre es denn stattdessen mit einem feinen kleinen Möbelhaus? Haben wir nämlich nicht, obwohl der Slogan der Tutzinger Gewerbetreibenden doch heißt: Tutzing hat’s.
HH
Grundsätzlich nachvollziehbar, es hier zu einer Einigung kommen zu lassen zwischen dem, der die Fläche zur Verfügung stellt und dem, der sie pachten will. Die sog. Marktgerechtigkeit dürfte aber dort ihre Grenzen haben, wo sie im Ernstfalle deutlich sichtbar negativ zutage treten könnte. Eignern von Flächen/Bauten ist es seltsamerweise häufig gleichgültig, was mit nichtgenutzten Flächen passiert. Sie wohnen auch zumeist nicht dort, wo dann die Investitionsruine zu besichtigen ist.
Wer das nicht wahrhaben will, braucht nur ins nahe Ausland zu fahren. Französische, italienische und österreichische Kleinstädte vergammeln systematisch, dortige Investoren zogen nach Wildwestmanier einfach weiter und ließen heruntergekommene Gebäude zurück. Gleiches lässt sich auch in deutschen Kleinstädten bewundern. Tutzing ist da natürlich in besserer Lage; für das Gelände des Seehofs fällt ja seit Jahren ein Boutique-Hotel vom Himmel und der Andechser Hof bereitet sich bekanntermaßen auch laufend auf eine baldige Wiedergeburt vor.
Es wäre sinnvoll, nicht nur auf über- oder vorgeordnete Eingebungen zu warten, sondern als Gesamtgemeinderat einmal in die Verantwortung für das Gesamterscheinungsbild Tutzings zu gehen. Auf die normative Kraft des Faktischen hat man sich lange genug verlassen. Diese Kraft ist entlang der Hauptstraße zu besichtigen. Den Kunden ist es zumeist völlig wurscht, was mit dem Ort passiert; alleine der Preis zählt in dem am Hungertuch nagenden Ort.
Es könnte endlich mal der Gesamtgemeinderat seine Hand auf eine dem Ort zuträgliche Entwicklung legen, dafür ist er nämlich auch gewählt. Viel Erfolg beim sauberen Aufarbeiten!
HF
Ein Nachtrag sei erlaubt:
Zum Einsammeln von Erfahrung mit viel fremdem Geld und Verschandelung des Ortsbildes braucht man gar nicht so weit zu reisen. Es genügt im ersten Schritt auch, sich das Starnberger Debakel mit deren Einkaufszentrum anzusehen. Die Starnberger Räte dürften durchaus gegen eine angemessen hohe Gebühr die Tutzinger Kollegen beraten wollen. Die wiederum können das dann als Teilnahme an Best-Practice oder gar Benchmarking (so nennen das die erfolgreichen Unternehmensberater) verbuchen. Und alles geht seinen gewohnten Gang. Der Wähler freut sich über die Bereitschaft des Gemeinderates, weit über den Zaun zu schauen, nämlich in eine Nachbargemeinde. Der Gemeinderat hat mit dem DM-Thema sogar erstmals die Möglichkeit, mit seinen auch in Parteien vorhandenen Wählern einmal über Tutzing und seine Wirtschaft(erei) zu sprechen.
HF