Am 3. April 2017 fand das Bürgerforum zur „Grundhaften Erneuerung und Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Tutzing“, so der offizielle Titel. Im Roncallihaus eröffnete die 2. Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg (CSU) das Forum und begrüßte die beteiligten Planer Prof. Florian Burgstaller, Martin Büscher, Benjamin Neudert und Harry Dobrzanski, die mit einigen Mitarbeitern anwesend waren. Sie erläuterte, dass es anlässlich der der vom Straßenbauamt geplanten Sanierung der Hauptstraße Gestaltungsmöglichkeiten an Geh- und Radwegen sowie Parkmöglichkeiten gebe, die räumlichen und verkehrsrechtlichen sowie – ich ergänze – finanziellen Bedingungen jedoch Kompromisse erforderten.
Martin Büscher, einer der beiden beauftragten Stadtplaner, sprach dann erweiternd von der Umgestaltung der Ortsmitte, nicht mehr von Ortsdurchfahrt. Mit einem Rückblick auf das Bürgerforum vom 23.01.2015 erinnerte er an die seinerzeit abgegebenen Kommentare der Bürger und betonte, dass die anstehende Gestaltungsmaßnahme für die nächsten 50 Jahre Bestand haben werde.
Christian Probst vom Staatlichen Bauamt Weilheim beschrieb das Projekt als große Gemeinschaftsmaßnahme, bei der neben dem Straßenbauamt und der Gemeinde die Spartenträger für Wasser (Gemeinde), Abwasser, Gasleitungsnetz, Energie und Telekom beteiligt seien. Die straßenbaulichen Vorgaben müssten eingehalten werden, so z.B. eine Straßenbreite von 6,5 Metern ohne und 7,5 Metern mit aufmarkierten Fahrradschutzstreifen. Die Entwässerung müsse den technischen Vorschriften entsprechen, die Fahrbahnoberfläche müsse geeignet sein (kein Pflaster!). Die Führung des Radverkehrs, Einbuchtungen, Querungen und Parkmöglichkeiten seien Angelegenheit der Gemeinde.
Benjamin Neudert, der Verkehrsplaner, wurde dann anhand von Darstellungen konkreter. Einzelne Ideen des Bürgerforums 2015 hätten Eingang in die aktuellen Planungsziele gefunden, die sich grob zusammenfassen ließen: Reduzierung des Flächenbedarfs für den motorisierten Individualverkehr zugunsten einer Erhöhung der Fläche für Fußgänger und Radfahrer. Die Planer gehen als Grundlage davon aus, dass die Hauptstraße Staatsstraße bleibt. Die Herabstufung zur Gemeindeverbindungsstraße verneinte Herr Probst, wurde dann aber unsicher und empfahl, die Frage ganz offiziell über einen Antrag zur Herabstufung klären zu lassen, ob den der sog. „Netzzusammenhang“ der Straßen dann noch gewährleistet sei, was er nicht vermute. Prozessual seien die Grundlagenermittlung und die Vorplanung mit der erfolgten Erarbeitung eines ersten Planungskonzepts abgeschlossen. Es folge die Ausführungsplanung unter der Leitung des Straßenbauamts. Die Bauarbeiten sollen sich über die Jahre 2018 – 2021 erstrecken, das Zentrum von Bahnhof- bis Waldschmidtstraße werde höherwertiger, der Rest einfacher gestaltet. Für die Einmündungen von Hallberger Allee, Greinwald-, Schloss- oder Marienstraße sei eine Ausführung in „shared space“ geplant, also als gemeinsamer Verkehrsraum ohne harte Trennung der Bereiche für Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger.
Harry Dobrzanski, der Landschaftsplaner, begann mit der Aufenthaltsqualität als einer der zum Teil konkurrierenden Funktionen der Ortsmitte. Die möglichen Gestaltungen, mit Beispielsdarstellungen veranschaulicht, könnten auch als 1:1-Muster ausgestellt werden; er habe damit gute Erfahrungen gemacht.
Ab ca. 20:10 Uhr gab es die Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen, die hier wiederzugeben, den Rahmen eines Kurzberichts sprengen würde. Die großen Themen waren die Herabstufung der Hauptstraße, Tempo 30 auf der Hauptstraße aus Sorge vor einer „Rennstrecke“ und die zukünftige Situation der Radfahrer. Anschließend folgten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Aufforderung, ihre Wünsche und Anregungen auf bereitgestellte Zettel zu schreiben und an die vorbereiteten Stellwände mit Darstellungen der Hauptstraße zu heften.
Die gesammelten Ideen werden nun verarbeitet und sortiert, anschließend dem Gemeinderat präsentiert. Am 16. Mai 2017, 19.30 Uhr, soll dann im Roncallihaus das 3. Bürgerforum stattfinden. Darüber hinaus werde es ein Informationsportal auf der Homepage der Gemeinde geben sowie eine Sprechstunde der Planer, jeweils vor Beginn der Sitzungen des Umwelt-, Energie- und Verkehrsausschusses. Dem offiziellen Protokoll der Sitzung des Umwelt-, Energie- und Verkehrsausschusses am 28.03.2017 habe ich die Aussage der 2. Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg entnommen, dass zukünftig in jeder Sitzung des Umwelt-, Energie- und Verkehrsausschusses ein Sachstandsbericht zur Sanierung der Hauptstraße erfolge.
Anspruch und Wirklichkeit
Zu Foren, was das ist und wofür, gibt es viele Definitionen. Ein Inhalt ist aber allen gleich:
Offenlegung der Informationen zur Lage, Einbezug Betroffener mit dem Ziel, deren Beiträge gemeinsam zu werten und weiteren Entscheidungsschritten zuzuführen.
Für Großgruppen hat sich die seit 1980 bekannte Methode „Metaplan“ arbeitstechnisch bewährt. Metaplan bedeutet, eine entscheidungsfähige Großgruppe wird von z.B. zwei neutralen Moderatoren unter Anwendung bestimmter Arbeitstechniken (z.B. Kärtchentechnik oder Mindmapping) so moderiert, dass ein Sachfortschritt einschl. Entscheidungen erfolgt.
Auch im Roncallihaus-Teilnehmerkreis fiel mehrfach das Wort „Anwendung Metaplan-Technik“. Was aber hier nun im Roncallihaus gemacht wurde, war lediglich eine Informationsveranstaltung. Erweitert um die Möglichkeit, Fragen zu stellen und nach Abschluss unterschiedlich weiterführender Hinweise einschl. Selbstdarstellung Einheimischer zu sog. Kärtchen zu greifen und mit völlig ungeeignetem Material einen Hinweis/Kommentar/Vorschlag an die Wand zu nageln. Zum an-die-Wand-Pinnen wurde man also angeregt, mehr aber nicht! Ein Verbiegen der Methode Metaplan!
Ein Bürgerforum hat schon per Definition einen bestimmten Anspruch, sh. Beitrag https://www.tutzinger-liste.de/blog/buergerversammlung-am-11-januar-2017/.
Ein Bürgerforum hat nach Abschluss, auch bei Teilschritten, vom Ergebnis her bindenden Charakter. Ein schrittweises Vorgehen– Informieren, Erfassen, Diskutieren, Verabschieden – passiert(e) im Roncallihaus nicht! Da hilft auch nicht die Formulierung, es sei ja erst der Anfang eines Prozesses. Ein streng systematisches Vorgehen (Kernstück von Metaplan), also ein systematisches Erfassen auch nicht allzu gern gehörter Beiträge erfolgte nicht. Ein Verabschieden im Sinne „Hier stehen wir nun mit der Erkenntnis des Forums und der nächste Schritt wird auf Basis dieses festgelegten Status dann besprochen“ gab es nicht. Eine Verabschiedung erfolgte, man werde sich zum nächsten Forum wiedersehen. Es hätte wohl besser heißen müssen „zur nächsten Informationsveranstaltung“.
Eine Veranstaltung, deren Auswirkungen die nächsten fünfzig Jahre beeinflusst und damit die vitalen Interessen Tutzings betreffend! Es sollte für den interessierten Tutzinger nicht der Eindruck entstehen, er werde nicht wirklich in den Prozess mit einbezogen, denn es sei ja alles gut und richtig, wie und was da getan werde.
Alleine das Rumoren im Plenum und das verbale Lavieren des anwesenden Staats-Vertreters hätte das Plenum zum gewiss sehr unangenehmen Anlass nehmen müssen, sehr deutlich und unüberhörbar zu hinterfragen, was dessen Rolle des nach eigenen Worten „Bauherrn“ bedeute, wo die Rolle ende und beginne. Das Forum hatte mehr die Dinge wie Randsteinhöhenbestimmungen und die übrigens schon immer überfällige Frage zum Inhalt, wie man es denn nun mit dem Tutzinger Verkehrsfluss und dessen Geschwindigkeit halte.
Bedingt durch die tief in der Sache sich bereits befindlichen Vortragenden und die Heterogenität des erstmals zusammengerufenen Teilnehmerkreises kann jetzt nur so geantwortet werden:
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen (B. Brecht).
Methodisch betrachtet hat das Projekt bisher lediglich Aufforderungscharakter, Anregungscharakter. Das Vorgehen wäre dann treffender formuliert unter der Überschrift:
Die Verwaltung informiert, die Bürger stellen Fragen und geben Anregungen.
Eine derartige Überschrift führt nicht zu Ansprüchen, die nie erfüllt werden können. Verwaltung informiert, Bürger fragen und geben Anregungen… das hingegen wäre die konkrete Ansprache einer Gruppe Interessierter in die vom Rathaus vorgezeichneten Entscheidungen.
Die nun in Abständen stattfindenden Informationsschritte (noch heißen sie also Bürgerforum) dürften aufgrund des Anspruchs an ein Forum und der jetzt erforderlichen Umformulierung leichter zu handhaben sein, als in einen Prozess Teilnehmer einzubeziehen, die völlig andere Vorstellungen von der Verwendung ihrer Gedanken, ihrer Zeit und des Begriffs Metaplan haben. Hier ist seitens des den Bauherrn Staat beratenden Rathauses ein klärendes Wort erforderlich.
Das wird auch heißen, man nennt das Kind weiterhin Bürgerforum, sagt aber dann gleichzeitig dazu, es sei ein sog. TUTZINGER Bürgerforum, was methodisch nicht zu vergleichen ist mit dem, was woanders und zumeist überall unter Bürger-Forum verstanden wird.
HF