Der durch Strukturwandel und Pandemie ohnehin gebeutelte Einzelhandel, muss in Tutzing auch noch die Hauptstraßensanierung überleben. Im Ortskern haben bereits vor Baubeginn viele Läden geschlossen (z.B. der Edeka, das Schreibwarengeschäft von Florian Stadler und zuletzt auch noch der magische Kohlen-Müller, der einfach alles hatte). Tutzinger Bürger sind in Sorge, dass die Bauarbeiten einigen der verbleibenden Läden den berühmten Rest geben könnten. Wir haben daher mit verschiedenen Ladeninhaber und dem Vorstand der ATG, Roberto Mestanza, gesprochen. Die Sorge wird geteilt! Es soll teilweise bereits empfindliche Umsatzeinbrüche geben. Ein Grund dafür sei, dass aktuell die Kunden aus Feldafing und Pöcking wegbleiben. „Wegen der Baustelle brauche ich jetzt eine halbe Stunde nach Tutzing – manchmal sogar mehr. Insgesamt mindestens eine Stunde Wegzeit ist einfach zu viel“, erklärt uns eine Feldafinger Passantin, die sonst in Tutzing Stammkundin ist.
Wir haben uns daher im Vorstand der TL die Frage gestellt, was den Gewerbetreibenden an der Tutzinger Hauptstraße helfen könnte.
Vorschlag 1: Freie Baustellen-Durchfahrtszeiten auch wochentags
Die Gemeindeleitung könnte versuchen, mit dem Straßenbauamt in Weilheim ampellose Durchfahrtszeiten zu verhandeln. Derzeit ist eine zweispurige, ampellose Baustellendurchfahrt aufgrund der Kanalarbeiten zwar an einer Stelle verkehrstechnisch nicht möglich. Aber in den vielen Monaten vor der Bauphase der Kanalarbeiten (Tiefbauarbeiten) wäre diese Baustellendurchfahrt möglich gewesen! So wurde Autofahrern tatsächlich die Baustellendurchfahrt ohne Ampelbetrieb zweispurig ermöglicht – aber leider nur an Wochenenden. Dies sollte nach Abschluss der Kanalarbeiten künftig auch wochentags, z.B. ab 16:00 Uhr, umgesetzt werden.
Ferner ist zu prüfen, was dem entgegensteht, auch während der jetzigen Phase der Kanalarbeiten eine zweispurige ampellose Baustellendurchfahrt zu ermöglichen. Warum kann man nicht an dem jeweiligen Abschnitt den Gehweg gegenüber zugunsten der Fahrzeuge sperren (zumindest zeitweise z.B. zu Zeiten des Berufsverkehrs)? Dazu müsste nur eine provisorischer Asphaltrampe zwischen Straße und Gehweg geteert werden.
Wir können vom Straßenbauamt in Weilheim sicher keine Verhältnisse wie in Tokio verlangen – Straßen in der Nacht zu sanieren und tagsüber befahrbar zu lassen. Aber eine Verbesserung und Effizienzsteigerung müsste, wie diese Vorschläge zeigen, jedenfalls drin sein.
Vorschlag 2: Offenlegung Baustellenmanagement / Reduzierung Stillstandszeiten
Die Tutzinger wundern sich über das Baustellenmanagement. Das klappt zwar schon besser als zu Beginn der Baustelle, aber das (Miss)Verhältnis von aktiven Baustellenarbeiten zu Stillstandszeiten sorgt immer noch für Gesprächsstoff. Kritisiert wird, dass nicht regelmäßige und dadurch schnell fortschreitende Bauarbeiten zu beobachten sind. So berichtet uns eine Ladeninhaberin: „Ein Fahrer hat sich nicht an die rote Ampel gehalten und die Durchfahrt behindert. Ich konnte dadurch längere Zeit die Baustellenarbeit beobachten. Es war tatsächlich so: nur einer hat mit einer Schaufel gearbeitet, ein zweiter ihm dabei zugeschaut und vier weitere sind nur herumgestanden.“
Die Gemeindeleitung sollte dafür Sorge tragen, dass ein komprimierter Baustellenplan offengelegt wird, um selbst das Baustellenmanagement kritisch beobachten zu können. Bei Abweichungen im Zeitplan, ist beim Straßenbauamt Weilheim auf ein effizienteres Baustellenmanagement zu drängen. Teilsperrungen, welche die einspurige Durchfahrt erfordern, sind zeitlich zu optimieren. Die beobachteten Stillstandszeiten sollten nicht mehr hingenommen werden. Die Gemeindeleitung könnte auch den Baustellenzeitplan z.B. auf der Homepage der Gemeinde veröffentlichen, so dass Bürger und betroffene Gewerbetreibende bei Abweichungen selbst beim Straßenbauamt Weilheim vorsprechen könnten.
Noch mehr Probleme beim Bauabschnitt „Hauptstrasse Mitte“?
Einige Ladeninhaber meinen, dass mit dem jetzigen Bauabschnitt „Hauptstraße Nord“ ihre Probleme erst begonnen haben, es aber noch drastischer werde, wenn die Sanierung im Ortskern vor ihrer Ladentüre beginnt. Dazu meint Ratsmitglied Dr. Behrens-Ramberg: „Während es im nördlichen Bauabschnitt keine Umleitungsmöglichkeit gibt, wird der Verkehr im mittleren Bauabschnitt über die Oskar-Schüler-Straße, Kirchenstraße und Bahnhofstraße umgeleitet.“
Das klingt gut! Der bisherige Ablauf der Sanierungsarbeiten an der Brücke lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob die Umleitung tatsächlich reibungslos klappen wird. In der Sitzung des Umwelt-, Energie- und Verkehrsausschusses am 27.04.2022 war der Herbst als Termin für die Fertigstellung genannt worden. Jetzt heißt es Ostern 2023. Die Gemeindeleitung muss absolut sicherstellen, dass die Sanierung der Brücke zum Baustellenbeginn „Mitte“ rechtzeitig und insbesondere nachhaltig verkehrstauglich, also ohne Tonnagebeschränkung, abgeschlossen ist. Hinzu kommt, dass ab Herbst, die Gehwege im Ortszentrum geöffnet werden sollen, damit die Spartenträger ihre Leitungen erneuern können. Die Abstimmung mit den Spartenträgern hat in der Vergangenheit zu Verzögerungen geführt, so dass diese nun früher beginnen sollen.
Impuls zur Erhaltung eines funktionierenden und lebendigen Ortskerns – aber auch wir Bürger sind gefordert!
Unsere zwei oben erarbeiteten Vorschläge sollen einen Impuls geben, dass Gemeindeleitung und Gemeinderat diese Sorge der Bürger und Gewerbetreibenden bereits in ihre nächste Sitzung aufnehmen. Es sind, wenn auch reichlich spät, konkrete Verbesserungsmöglichkeiten und Hilfsmaßnahmen in kooperativer Arbeit mit den Gewerbetreibenden zu suchen und umzusetzen. Denn das beschlossene und in Arbeit befindliche ISEK zur Ortskernsanierung würde stark entwertet werden, falls unser (alter) Ortskern nach der Sanierung außer einer Eisdiele nicht viel mehr an Einzelhandel und Gastronomie zu bieten hätte.
Der Tutzinger Einzelhandel braucht aber jetzt auch uns Bürger ganz besonders. Wenn wir einen funktionierenden und lebendigen Ortskern erhalten wollen, müssen wir gerade während der Bauphase Flagge zeigen: Die Freundin oder Arbeitskollegen aus München mal zum Shoppen nach Tutzing einladen? Die werden über das attraktive Preis-Leistungsverhältnis hier staunen! Mit dem Verwandtschaftsbesuch aus Frankfurt, nach dem Spaziergang an der Brahms durch ihre Lieblingsgeschäfte an der Hauptstraße flanieren? Alle anfallenden Geschenke für 2022/2023 mal bewusst nach dem Tutzinger Angebot aussuchen? Und Vieles mehr. Alles hilft!
Titelfoto: Lange Stauzeiten an der Baustelle halten Kunden aus Feldafing und Pöcking von Tutzings Einzelhandel fern.
Uff, da gäbe es Einiges zu kommentieren. Ich begnüge mich damit: zumindest für den mittleren Bereich der Sanierung bzw. für die innerörtliche Verkehrsgestaltung hat es mE eine klare Alternative zu der jetzigen geplanten späteren Durchfahrtslösung gegeben, nämlich eine Richtung durch die Kirchenstraße zu leiten. Jedesmal, wenn dieser Vorschlag, ua von mir, andiskutiert wurde, kam, als quasi Totschlags Argument, die Brücke, deren Ausbau unmöglich sei. Jetzt passiert genau das, der Verkehr soll behelfsmaessig über die bis dahin ertuechtigte Brücke geleitet werden. Achja, die in Tutzing vorhandenen privaten Interessen Einzelner am Status quo scheinen a priori Denkverbote so lange aufrecht zu erhalten, bis die nächste verschlimmbessernde Lösung durchgeführt ist. Nach wie vor meine Ansicht: es hätte eine Loesung darin bestanden, den Verkehr zum einen über die Hauptstraße und in Gegenrichtung über Oskar-Schüler und Kirchenstraße zu führen, langsam mit Tempo 30 durch die Ortsmitte und mit Parkbuchten sowie Anfahrtsmöglichkeiten für Anlieferung. Dann gäbe es ausreichend Platz für Radler und Fußgänger, mit Aufenthaltsqualität. Auch das immer wiederholte Staatstrassenargument der Hauptstraße: hätte es wirklich keine Veränderungsmöglichkeit gegeben? Die Poeckinger haben mit der Umfahrung eine sehr respektable Verkehrsberuhigung und einen attraktiveren Ortskern hingekriegt. Tutzing hat diese Chance so nicht,aber eine einseitige Verkehrsführung über die ertuechtigte Brücke könnte diesen Effekt, mE, haben.