Mit 9 zu 8 Stimmen erließ der Gemeinderat eine Seniorenbeiratssatzung und etablierte so einen Seniorenbeirat in Tutzing. So geschehen in der Sitzung am 09.04.2024 unter der Leitung des 1. Bürgermeisters Ludwig Horn CSU).
Den Antrag auf Einrichtung eines Seniorenbeirat hatte Ratskollegin Caroline Krug (ÖDP) am 09.02.2023 gestellt. In der Gemeinderatssitzung am 02.05.2023 wurde der Antrag von ihr vorgestellt und diskutiert. In der Diskussion wurde die Notwendigkeit eines Seniorenbeirats von mehreren Ratsmitgliedern angezweifelt. Das gipfelte in der Aussage, der Gemeinderat sei schon der Seniorenbeirat und ohnehin für die Älteren da. Aufgrund der vorgetragenen Gegenargumente und offenen Fragen kam es zunächst nur zu einem Grundsatzbeschluss: Einstimmig begrüßte der Gemeinderat grundsätzlich die Einführung eines Seniorenbeirats in Tutzing; es müsse jedoch noch die entsprechende Vorarbeit geleistet werden und eine konkrete Satzung vorliegen, über die dann beraten werden könne. Die Umsetzung werde erst geprüft, wenn Arbeitskapazität in der Verwaltung vorhanden sei.

In Ihrem zweiten Antrag vom 06.01.2024 trug Ratskollegin Krug noch einmal ihr Playdoyer für die Gründung eines Seniorenbeirats vor. In Tutzing gebe es 3.750 Bürgerinnen und Bürger über 60 Jahre. Ein Seniorenbeirat sei inzwischen in acht Gemeinden etabliert, sicher nicht aus „Jux und Tollerei“. Auch eine Satzung war mit Unterstützung der Gemeinderverwaltung erarbeitet worden. Die notwendige Seniorenarbeit sei für sie allein zu viel Arbeit.

Bettina Hartwanger, Koordinatorin der Seniorenarbeit im Landratsamt Starnberg, unterstützte den Antrag. Die Mitwirkung von Senioren auf kommunaler Ebene sei wichtig, die Senioren würden so viel ernster genommen, so die Erfahrungen in den Gemeinden mit Seniorenbeirat. Die Gruppe umfasse immerhin rd. 34% der Bevölkerung in Tutzing.


Paul Friedrich, Vorsitzender des Jugendbeirats in Tutzing, betonte den Unterschied zum Jugendbeirat, der auch in Instrument sei, die Jugend an die Kommunalpolitik heranzuführen.

Der Vorstellung der Satzung durch den Bürgermeister schloss sich die intensive Diskussion an. Ich lobte meine Ratskollegin für ihre Arbeit und erklärte, dass es trotzdem einer sachlichen Entscheidung bedürfe, ob ein Seniorenbeirat nötig sei. Ich vertrat die Ansicht, dass Seniorenthemen in Tutzing bereits effizient und umfassend durch die von Gemeindebürgern gewählten Vertreter (Gemeinderat und Erster Bürgermeister) sowie die ehrenamtliche Referentin für Soziales/Senioren/Wohnungswesen, Gemeinderätin Caroline Krug (ÖDP), behandelt und repräsentiert werden. Daher hielte ich ein Beratungsgremium für nicht erforderlich. Jedes Mitglied im Gemeinderat sei eines für alle Bürger! Wir beschäftigen uns mit Kindertagesstätten genauso wie mit der Barrierefreiheit des Ratshauses. Sollte es an etwas fehlen, ein Defizit sei für mich nicht erkennbar, könne sich jeder Bürger oder jede Vereinigung (z.B. Senioren-Union, Seniorentreff) jederzeit direkt an einen Gemeinderat, den zuständigen Referenten oder den ersten Bürgermeister wenden. Das Angebot an Kommunikationskanälen sei reichlich. Dazu berichtete ich von meiner Erfahrung bei dem Antrag der Tutzinger Liste zur Verbesserung der Verkehrsführung an Unterführung an der Heinrich-Vogl-Straße (Antrag vom 22.09.2020): Sowohl Mütter mit Kinderwagen als auch Senioren mit Rollator waren auf uns zugekommen, ob wir uns nicht für eine Verbesserung einsetzen könnten, insbesondere für die Verbreitung des Gehsteigs (dazu ist alles vorbereitet, es fehlt das Geld). Nicht zuletzt sind Entschlackung und Konzentration auf das Wesentliche das Gebot der Stunde. Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse sind daher effizient auf bestehende Organe und Gremien zu verteilen und nicht durch Bildung neuer Beiräte zu hemmen.

Ratskollege Claus Piesch (FW) zeigte sich ambivalent: Eigentlich wäre ein Seniorenbeirat nicht nötig, er stehe aber „voll dahinter“. Jugendbeirat (Mitglieder meist ohne kommunales Wahlrecht) und Seniorenbeirat seien zwei unterschiedliche Gremien und sollten unterschiedlkch behandelt werden, eine Zusammenarbeit sei wünschenswert.
Christine Nimbach schloss sich meiner Argumentation an und unterbreitete den konstruktiven Vorschlag, interessierte Senioren mögen einen Verein gründen, das wäre auch eine Entlastung der Verwaltung. Das Hauptproblem, die zunehmende Vereinsamung der älteren Menschen, sei ein übergeordnetes Thema. Sie machte konkrete Vorschläge, wie ein Seniorenverein hier Unterstützung leisten könnte.
Flora Weichmann (Bündnis90/Die Grünen) teilte zwar die „Vision einer Gesellschaft, in der wir miteinander in Frieden leben“ und lobte die Initiative. Fragwürdig erschien ihr jedoch die in der Satzung enthaltenen politische Partizipation. Auch würden die Senioren ihrer Beobachtung nach ernst genommen.
Ratskollege Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) sagte seine Unterstützung des Antrags zu, trug aber gleichzeitig zwei Kritikpunkte vor: (1) In Tutzing werde bereits sehr gute Seniorenarbeit geleistet, durch den neuen Berat solle hier keine Konkurrenz entstehen. (2) Eine Seniorenbürgerversammlung mit bis zu 3.750 Senioren zur Wahl der Beiratsmitglieder sei unvorstellbar, er schlage satzungsergänzend ein Quorum vor, dass mindestens 100 wahlberechtigte Senioren bei dieser Versammlung anwesend sein müssten. Das – willkürlich festgesetzte – Quorum erschien mir als Kompromiss der unterschiedlichen Haltungen innerhalb der CSU-Fraktion.
Ratskollegin Stefanie Knittl (SPD) stimmte dem Antrag einer kommunalen Interessenvbertretung für die Senioren zu und sah darin eine Anerkennung der Arbeit der Antragstellerin.
Ratskollege Dr. Joachim Weber-Guskar (FDP) schloss sich meiner Argumentation an, lehnte den Seniorenbeirat also ab, auch mit dem Hinweis, wir sollten uns nicht verzetteln. Die FDP-Fraktion freue sich im Übrigen, wenn ältere Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen auf sie zukämen.

Es fällt auf, das die Befürworter des Seniorenbeirats ihr Votum nicht begründet haben. Außer Ratskollege Thomas Parstofer (CSU), der den Antrag  ebenfalls unterstützte und dabei als Grund anführte, die Kraft und die Erfahrung der Senioren müsse gebündelt, das Potential genutzt werden.

Im Ergebnis wurde die Satzung mit 9 zu 8 Stimmen verabschiedet und das erforderliche Quorum von 100 wahlberechtigten Senioren aufgenommen. Redaktionelle Änderungen, wie von Ratskollegin Christine Nimbnach vorgeschlagen, wurden nicht aufgenommen. Leider wurde versäumt, über den satzungsändernden Antrag der Grünen abzustimmen, die „Partizipation der Senioren in der Kommunalpolitik“ (§ 2 Abs. 3 des Satzungsentwurfs) als Aufgabe des Beirats zu streichen. Das sollten wir noch nachholen.

Ergänzen möchte ich noch zur „Hausordnung“, dass die konstruktiv und respektvoll geführte Diskussion des Rats leider gestört wurde von Klatschen und Buh-Rufen einer Gruppe Seniorinnen und Senioren, die im Publikum saßen – ein Umstand, den Bürgermeister Ludwig Horn mit Hinweis auf die Geschäftsordnung unterband. Ratskollegin Christine Nimbach bat ihn darum und bemerkte auch Richtung Publikum zu Recht: „Warum denn so aggressiv?“.

Auch äußerte sich Ratskollegin Caroline Krug (ÖDP), dass in den Medien vor Ort in den letzten Tagen ihrer Meinung nach deutlich zu erkennen gewesen sei, dass ein ehrenamtlicher Seniorenbeirat „verunglimpft“ worden sei. Ihr Vorwurf der vermeintlichen Diffamierung bezog sie sich offenkundig auf Kommentare bei vorOrt.news: Gemeinderat stellt Weichen für Seniorenbeirat. Es wäre wichtig, wenn die Ratskollegin noch klar stellen würde, was genau ihrer Meinung nach ihren schwer wiegenden Vorwurf rechtfertigt. Gerade ländliche Gemeinden, wo es durch die persönliche Nähe im Ort oft zur Befangenheit in der freien Meinungsäußerung kommt, sind offene Diskussionen der Bürgerschaft zu fördern. Ich konnte in den Kommentaren jedenfalls keine Herabwürdigung eines Seniorenbeirats finden. Wohl aber auch dort eine gewisse Aggression gegen Kommentatoren, die kontroverse Meinungen äußerten. Sachlich geführte kontroverse Diskussionen sind aber nunmal die Grundvoraussetzung für bestmögliche Entscheidungen.

Weitere Punkte der Sitzung:

  • Bürgermeister Ludwig Horn wurde einstimmig zum Standesbeamten der Gemeinde Tutzng bestellt, beschränkt auf die Vornahme von Eheschließungen und Umwandlungen bei bestehenden Lebenspartnerschaften. Die Voraussetzung war mit der Teilnahme an dem Standesamtslehrgang erfüllt.
  • Gegen die beiden Stimmen der FDP-Fraktion wurde mehrheitlich beschlossen, Klage auch gegen die zweite Baugenehmigung zur Errichtung des Mobilfunkmastes in Monatshausen zu erheben. In der Ratssitzung am 05.03.2024 hatte das Gremium diese Entscheidung bereits vorbereitet.
  • Einstimmig wurde die Satzung für die öffentliche Wasserversorungseinrichtung der Gemeinde Tutzing (Wasserabgabesatzung – WAS) beschlossen. Die Änderungen folgen einer Mustersatzung und waren in Sitzung am 05.03.2024 vorbereitet worden.
  • In einem strukturierten Vortrag präsentierte die Initiatorin Lucie Vorlíčková das Konzept zum Bürgerkino, das ab Herbst 2024 den Betrieb in einem neu zu gründenden gemeinnützigen Verein „Kulturtheater Tutzing e.V.“ des derzeit geschlossenen Kurtheaters übernehmen soll. Dazu erforderlich sind zahlende Mitglieder für das laufende Defizit aus dem Betrieb, Spenden für Anschaffungen und Betriebskapital und viele Freiwillige unter den Mitgliedern, die im laufenden Betrieb unterstützen („Kinoengel“). An die Adresse des Gemeinderats gerichtet warb sie um (1) unterstützende Werbung für Mitglieder und Spenden, um (2) den Besuch der dritten Informationsveranstaltung am 18.04.2024, um (3) Einbeziehung in die kulturelle Arbeit der Gemeinde, um (4) finanzielle Unterstützung im Rahmen der haushalterischen Möglichkeiten sowie um (5) künftige gemeindliche Nutzung des Kinosaals (z.B. auch mal für eine Bürgerversammlung). Aktueller Stand seien sehr ermutigende – noch unverbindliche – Zusagen zur Mitgliedschaft von rd. 280 Personen sowie Spendenzusagen von rd. 50.000 Euro. Als Benefiz-Veranstaltungen zur Sammlung weiterer Mitglieder- und Spendenzusagen seien am 13.04.2024 eine Lesung von Tim Kramer und am 28.04.2024 ein Laserjam von „laserjam.org“ für die Jugend geplant. Die Präsentation können Sie auf der Homepage des Bürgerkinos ansehen. Der Vortrag und die Aktion „TUTZING MACHT KINO!“ stieß auf breite Anerkennung. Ratsmitglied Dr. Thomas von Mitschke-Collande lobte die Initiative und zeigte Hochachtung vor der geleisteten professionellen Arbeit, die einen hohen Maßstab für künftige Bürgerinitiativen setze.

Unter Mitteilungen und Anfragen, Verschiedenes gab der Bürgermeister bekannt, das die Termine für Arbeitssitzungen zum ISEK (Stadtebauliches Entwicklungskonzept) festgesetzt und die Einladungen vesandt seien. In eigener Sache kündigte er an, im kommenden Herbst den Antrag zur Wiederwahl des Bürgermeisters bei der Kommunalwahl 2026 zu stellen.

Und ja, es gab Wortmeldungen zu Bürgerfragestunde vor der Sitzung. Angemerkt wurde die mangelhafte Beleuchtung der Cäsar-von-Hofacker-Straße mit der Bitte, andere Leuchtmittel einzusetzen oder neue Leuchten zu planen. Der Verbindungsweg entlang der Bahn zwischen Gröschelstraße und Lindemannstraße möge aufgekiest werden, es sei dort bei Feuchtigkeit sehr schlammig, was ich gerne bestätige. Auf weitere Anfrage erklärte der Bürgermeister, keiner solle von ISEK-Prozess ausgeschlossen werden, hier gebe es über die Homepage der Gemeinde und die Email-Adresse (isek@tutzing.de) Möglichkeiten der Beteiligung. Die angesetzten Arbeitstermine sind den Gemeinderatsmitgliedern und Gruppenvertreter vorbehalten. Möglicherweise gibt es Ausnahmen, denke ich. Die Termine, die zum Teil auch allgemein öffentlich sind, können Sie auf der Homepage der Gemeinde einsehen.

 

 

 

 

 

 

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