Im letzten Jahr griffen auf unserer Homepage mehrere Artikel (z.B. „Freihandel…“ , „Freihandel… (TTP, TTIP, CETA, TISA)“ oder „TTIP und doch kein Ende“) das Thema Freihandel auf. Anlass war auch die Diskussion in den Medien, auf der Straße und in den Parlamenten. Obwohl die Auswirkungen der sog. Freihandelsverträge sich bei näherem Hinsehen auch in den Kommunen (wo sonst?) bemerkbar machen und erheblich unsere bisherigen Formen des Wirtschaftens beeinflussen werden, ist in den Kommunen das Thema noch nicht so recht angekommen.
Einige Aspekte fielen auf: Wer sich mit dem Thema Freihandel beschäftigt, kann sich sehr schnell in einem von drei Lagern befinden. Entweder in dem der glühenden Befürworter oder in dem der aus verschiedensten Gründen die Freihandelsabkommen Ablehnenden. Oder im Lager derjenigen, die aus unterschiedlichsten Gründen mit der Sache nichts zu tun haben wollen.
Einer kritischen und zugleich sachlichen Betrachtung, frei von Lagern, scheint sich aber der Themenkomplex „Freihandel“ entzogen zu haben. Unsere beiden Tutzinger Akademien leisten sehr gute Beiträge zum Verständnis der z.T. öffentlich geführten Diskussion. Hier in den Akademien konnten in jüngster Zeit sogar sehr deutlich die Ursachen einer partiell unausgeglichenen Haltung derjenigen gehört werden, die das Thema treiben. In die gesamte Diskussion sind jedoch inzwischen Tonlagen gekommen, die kaum zu einer Entschärfung des Diskurses in der Öffentlichkeit führen.
Zu beobachten ist nämlich folgende Grundhaltung der Politik: Nun machen wir einmal und dann sehen wir schon (was und ob etwas passiert). Für diese Einstellung aber, dann häufig mit dem Etikett „Pragmatismus“ oder „repräsentative Demokratie“ versehen, ist der Themenkomplex Freihandel ausdrücklich nicht geeignet.
In den in der TL-Homepage veröffentlichten Beiträgen und auch Kommentaren ist klar zum Ausdruck gebracht, weswegen Freihandel ein enorm wichtiger Bestandteil unserer Gesellschafts- und damit Wirtschaftspolitik ist. Es wurde allerdings auch darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, auf die Konsequenzen eines eventuell unreflektierten Handelns zu achten. Meine Kollegen und ich wurden mehrfach auf unsere Haltung zum Thema Freihandel angesprochen. Und das mit dem Tenor, die TL sei dagegen. Einfache Antwort hierzu: Diese Annahme ist falsch!
Ich versprach Ihnen ein regelmäßiges Aktualisieren des jeweils auf der TL-Homepage angegebenen Standes in Sachen Freihandelsverträge.
Hier ist nun weniger eine Aktualisierung, es ist eine Erklärung:
Es ist dringend nötig, darauf zu verweisen, Freihandel ist keine Frage von Rechts oder Links oder Mitte. Freihandel, richtig verstanden, bedeutet die Gestaltung von Handelsbeziehungen unter weitgehendem Verzicht von Handelshemmnissen zwischen zwei oder gar mehreren Staaten, Staatengruppen. Bei dieser Gestaltung hat man sich darauf zu einigen, dass beide Partner sehr langfristig mit den Bedingungen des Vertrages leben können und beide einen eindeutigen Nutzen haben. Häufig wird das Win-Win-Situation genannt.
Fragen Sie aber mal einen Abgeordneten (MdL, MdB), was dies im Detail bedeutet und welche Erfahrungen mit weit über 100 Verträgen zwischen Deutschland und Afrika gemacht wurden. Aus Sicht der Afrikaner natürlich! Allmählich erst wird bewusst, dass der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler neben mangelndem Respekt wegen eben dieser unbefriedigenden Situation und der nicht vorhandenen Bereitschaft, in größeren Zusammenhängen und damit im Sinne aller Beteiligten zu denken, seinerzeit zurücktrat.
TTIP wurde bereits im Juli 2016 (und nicht – wie immer behauptet – im November 2016) u.a. deswegen auf Eis gelegt, weil Sozial- und Umweltstandards unter die Räder gekommen wären. Gemeint sind hier die Sozial- und Umweltstandards in Europa, nicht in den USA! Der massenhafte Protest von Teilen der Landwirtschaft wurde übrigens überhaupt nicht zu Kenntnis genommen. Hauptgrund des Widerstands der Landwirtschaft dafür war, dass zwei hochsubventionierte Agrar-Märkte (USA und Europa) sich einen Preiskampf hätten liefern müssen, bei dem das Sterben der europäischen Landwirtschaft nicht mehr nur eine keinesfalls wünschenswerte Utopie, sondern absehbare Realität gewesen wäre. Mit fast nicht einholbaren Kostenvorteilen (beispielsweise ist dann ein Schweineschnitzel aus USA um die Hälfte billiger als das aus Deutschland, Milchprodukte ebenso) kann die mit erheblichen Überkapazitäten arbeitende US-amerikanische Landwirtschaft Europas klein- und mittelbetriebsartige bäuerliche Landwirtschaft nachhaltig beschädigen. Wähler aus dem Kreis der Landwirtschaft sind vernachlässigbar, es sind ja nur ca. 2% der Wahlberechtigten. Meint die Politik!
Nun den Stopp von TTIP auf den Regierungswechsel in Amerika zu schieben, kann nur von Nichtkennern den Nichtkennern der Situation angeboten werden. Sehen Sie sich alleine die derzeitige Diskussion zwischen den beiden angelsächsischen Ländern (USA-England) an und wohin die Reise zu gehen scheint. Bilateraler Freihandel unter Staaten, die bereits fast gleiche Standards haben und mittlerweile in jeder Beziehung die gleiche (Vertrags-)Sprache sprechen! Wobei der Eindruck entstehen kann, dass derzeitige Top-Wahlkämpfer auch noch nicht so recht wissen, worüber sie eigentlich sprechen. Selbst dann, wenn sie direkt an der Quelle (Brüssel) saßen.
Wir, die TL, sind also nicht gegen Freihandel; wir sind nur kritisch deswegen, dass etwas getan wird, von dem man heute schon weiß, was passieren kann und dann sehr wahrscheinlich passieren wird. Die Analyse der potentiellen Probleme erfolgte bisher bedauerlicherweise nur von sog. Linken (Linke, Grüne, ödp) und ganz Rechten (AfD, Pegida, NPD). Wobei die Programme Letzterer sehr deutlich sind: Let’s make Germany great again! Als ob man nun auch bei uns erneut in den Dreißigern aufsetzen könnte. Die in der Mitte liegenden Blöcke schweigen und entdecken plötzlich die Ergebnisse der US-Wahl als Grund dafür, dass die Verhandlungen von TTIP zum Stillstand gekommen sind. Die nächsten Monate werden zeigen, in welche Richtung sich das Bild tatsächlich verschieben wird.
Stand 06.02.2017:
TTIP liegt zwar auf Eis, man spricht aber heute schon davon, es sei mit einem Wiederaufleben zu rechnen, wenn sich die Beunruhigung in USA gelegt hätte. Schließlich hätte Deutschland einen Vorteil davon (welchen eigentlich?). Übersehen wird, dass im Juli 2016 die Verhandlungen wegen unerfüllbarer Forderungen bei Veränderung der Umwelt- und Sozialstandards gestoppt wurden, also zeitlich weit vor der Präsidentenwahl. Käme es zur Wiederauflage TTIP, dann nur in Form von bilateralen Verträgen!
CETA wird als gut verhandelt dargestellt. Die Proteste hierzu sind täglich in den Medien nachzulesen, der immer härtere Umgang deutscher Regierungs-Politiker mit den Widersprüchen seitens der NGOs zeigt, dass keineswegs Einvernehmen erreicht ist. Und der Widerstand deswegen immer größer wird, weil die Politik sich nicht mit den Ursachen der Widersprüche beschäftigt. Kanada sei nicht USA, heißt neuerdings die Antwort. Dass aber US-Amerikanische Agrarkonzerne und Chemiekonzerne über ihre in Kanada agierenden Tochtergesellschaften in der EU genau das Ziel erreichen können, das mit dem Einfrieren von TTIP nicht erreicht werden konnte, wird geflissentlich übersehen. CETA soll übrigens in Monatsfrist durch das EU-Parlament gewunken werden. Fakten, noch Fragen?
TISA wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, da noch niemand merkte, wie der Datenhandel bereits funktioniert und wie sehr die Datenschützer Alarm schlagen. Eine Nation, deren Bürger-Daten bereits völlig selbstverständlich in die gesamte Welt verkauft (nicht nur verteilt) werden, stellt keine Fragen, was mit deren Bürger-Daten eigentlich passiert. Die nächste öffentliche Diskussion steht vor der Tür, überaus wahlwirksam! Linke und Rechte werden sich freuen! Sehen Sie dazu den Beitrag vom 08.12.2016 auf dieser Homepage.
TTP (Trans-Pacific Partnership), Europa kaum betreffend, wurde direkt nach der Präsidentenwahl in den USA mit einem Federstrich aufgehoben. Allerdings nicht, weil man nicht mehr wolle, sondern weil ein Partner mit Verträgen bilateraler Art besser leben kann. Ein Deal, mehr ist das nicht! Und das sagte man auch klar! Was wurde gewonnen, indem China jetzt die Rolle der USA übernimmt?
TTP betrifft uns nicht. Uns betrifft aber die Art und Weise, wie Freihandelsverträge die EU und damit Deutschland betreffend vorbereitet werden und zur Ratifizierung gelangen. Die Form des Widerstandes gegen fragenstellende Kritiker und wiederum deren Antwort auf „die da oben in Brüssel“ oder Berlin beginnt das Wahlklima massiv zu beeinflussen. Es ist zu befürchten, die Wahlen in mehreren EU-Ländern und deutschen Bundesländern werden zeigen, was eine zu oberflächliche Behandlung der Europa betreffenden Freihandels-Diskussion bewirken wird.
Auf der TL-Homepage wurde im Sommer vergangenen Jahres beschrieben, was die Kommune zu den Freihandelsverträgen wissen sollte und welche Fragen aus Sicht der TL von Bedeutung sein werden.Spätestens bei den Fragen der Landwirtschaft und der Privatisierung auf dem Feld der Daseinsvorsorge werden die Folgen abgeschlossener Freihandelsverträge sichtbar sein. Daher muss das Thema sehr genau verfolgt werden.
Fragen und Antworten zu den Veränderungsnotwendigkeiten einem politischen Lager vorschnell zu überlassen, das sieht nach Nationalromantik aus.