Acht Vertreter der Tutzinger Liste e.V. diskutierten beim BürgerVereinsTreff am Mittwoch, 29.03.2023, im Lobster mit den eingeladenen Bürgern, wie der Verein im Rathaus mehr Akzeptanz für seine Initiativen erlangen könnte. Trotz wesentlicher Erfolge, die der Bürgerverein inzwischen vorweisen kann (z.B. ISEK, Zweitwohnungssteuer, Gehweg Bahnunterführung, Sanierung Hauptstraße), begegnet den Ehrenamtlern eine eher ablehnende Haltung seitens der Bürgermeisterin aber auch Teilen des Gemeinderats. Der Verein gelangt mit seinen Initiativen zwar meist ans Ziel, der Weg dahin ist jedoch voller politischer Hürden. So stellten sich die Mitglieder, die Frage, ob der Tutzinger Liste e.V. ihr Sitz im Gemeinderat nutzt, oder doch eher schadet. So wurde mit den anwesenden Bürgern diskutiert, ob der Bürgerverein künftig auf die Teilnahme an den Kommunalwahlen verzichten und „nur“ als Bürgerinitiative auf die Gemeindepolitik Einfluß nehmen sollte. Was spräche dafür, was dagegen?

Jahreshauptversammlung gibt Anstoß zur Diskussion:
Wie die politischen Hürden für bürgerschaftliches Gestaltungsengagements überwinden?

Die Mitglieder der Tutzinger Liste e.V. hielten am Mittwoch vor Beginn des BürgerVereinTreffs erst noch die Jahreshauptversammlung für 2022 ab. Neben den gewöhnlichen Regularien – Bericht des Vorstands, Vorlage der Jahresrechnung 2022 und Bericht der Kassenprüfer – brachte Schatzmeisterin Lucie Vorlíčková den Tagesordnungspunkt „Kommunalwahlen 2026 – Kandidaten“ ein. Sie analysierte in einem Grundlagenpapier die externen und internen Hürden, mit denen der Bürgerverein trotz seiner beachtlichen Arbeit für Tutzing zu kämpfen hat. Sie regte an zu diskutieren, ob der Bürgerverein ab 2026 mit oder ohne Vertretung im Gemeinderat weiterarbeiten sollte. Diese Diskussion wurde im anschließenden BürgerVereinsTreff mit den anwesenden Gästen intensiv fortgeführt.

Bürgerverein sei „nicht Fisch, nicht Fleisch“ – stimmt, er ist 100% bürgerschaftliches Engagement

Ein Teilnehmer merkte an, dass ihm nicht klar sei, ob die Tutzinger Liste e.V. eine Partei sei oder nicht. Sie sei „nicht Fisch, nicht Fleisch“. Dazu erklärte Vorlíčková, dass der Verein in den letzten drei Jahren hier viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet habe. Er ist bewusst keine Partei mit den üblichen Parteistrukturen und machtpolitischen Interessen sondern pures bürgerschaftliches Engagement. An der Entwicklung Tutzings interessierte Bürger haben sich 2014 in einem Verein zusammengeschlossen, um insbesondere Transparenz in die Gemeindepolitik zu bringen (Berichte von Gemeinderatsmitglied Behrens-Ramberg) und durch die Aufdeckung von Defiziten aber auch Einbringung neuer Konzepte die künftige Ortsentwicklung zum Wohle aller Tutzinger zu beeinflussen (Initiativen des Bürgervereins im Liveticker). Sie führte weiter aus, dass diese Art des bürgerschaftlichen Engagements zwar bekannt aber noch nicht oft in den Kommunen vertreten sei. Es bedürfe der Zeit, bis Rathaus und Bürger die Vorteile aber auch – und dies gilt besonders für den ländlichen Raum – die Notwendigkeit dieser basisdemokratischen Arbeit (wieder) erkennen und schätzen lernten. Beirat Gerd Bittl-Fröhlich erläuterte am Beispiel der Gemeinde Oberammergau, wo es drei Wahlperioden bedurfte, um diese basisdemokratische Bürgerbeteiligung in der kommunalen Selbstverwaltung zu etablieren. Zu den Hürden dieser „Gestalter“ im ländlichen Raum siehe auch unseren Beitrag unter https://www.vorort.news/tutzing/kommunalpolitik/2023/2/7/tutzinger-liste-stellt-keinen-buergermeisterkandidaten/.

Sollte der Bürgerverein ein reiner „Bürger-Kummerkasten“ werden – ohne eigenen Sitz im Gemeinderat?

Einige Bürger begründeten die ablehnende Haltung seitens der Bürgermeisterin und einem Teil des Gemeinderats „logisch“ damit, dass die Tutzinger Liste e.V. immer auch eine Wettbewerberin bei den Wählerstimmen ist. Es sei daher besser, nicht mehr an den Kommunalwahlen teilzunehmen und keinen Gemeinderat mehr zu stellen. Der Bürgerverein solle als  „Bürger-Kummerkasten“ fungieren. Die eingereichten Themen müsse er dann versuchen, über möglichst viele Gemeinderäte im Gemeinderat zu befördern und Anträge durchzusetzen. Der Verweis auf politisches Wettbewerbsdenken bei Wählerstimmen, hat sicher den Kern getroffen. Parteipolitik habe zwar in einer Kommune absolut nichts zu suchen, darüber waren sich alle Teilnehmer einig, die Realität sei aber leider eine andere. So bestätigte auch Dr. Behrens-Ramberg: „Sobald ein Stern heller als der eigene leuchtet, machen sich machtpolitische Interessen breit, die rationale Handlungen für das Gemeinwesen oft in den Hintergrund treten lassen.“

Es folgten mehrere Wortmeldungen, die dennoch dafür plädierten, dass die Tutzinger Liste e.V. bei den Kommunalwahlen antreten solle. Es wäre „sehr schade“, wenn der Bürgerverein nicht mehr im Gemeinderat vertreten wäre. Zwei Teilnehmer ermutigten die Vereinsmitglieder sogar, sich zur reinen politischen Arbeit zu bekennen, denn schon jetzt arbeite der Verein ja „politisch“, da er das Gemeinwesen beeinflusse.

Präsenz der Tutzinger Liste e.V. sei im Gemeinderat für Transparenz und nachhaltige Ortsentwicklung unerlässlich – aber auch als Opposition

Die Mehrheit der Anwesenden sah die Vertretung der Tutzinger Liste e.V., also parteiloser Bürger, im Gemeinderat als erforderlich. Zum Einen gäbe es in Tutzing kein anderes Medium, dass über die Sitzungen in dieser Qualität, was Inhalt, Form und Schnelligkeit angehe, die Bürger informiere und so für Transparenz in der Rathauspolitik sorge. Zum Anderen sei es gerade der Bürgerverein, der Defizite aufdecke und immer wieder engagiert Konzepte einbringe, was für die nachhaltige Ortsentwicklung für die kommenden Genrationen von großer Bedeutung sei.

Ein Gast, Mitglied des Gemeinderats, wies daraufhin, dass die dem Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegten Themen, oft im Voraus entschieden seien – der Gemeinderat fungiere daher meist nur als „Abnickaugust“. Vorlíčková wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Bürgerverien, zwar unbeabsichtigt, aber inzwischen tatsächlich eine  „oppositionelle Funktion“ wahrnehme. Dies sei eine extrem wichtige Aufgabe, denn ohne fundierte Opposition funktionierten Demokratien nicht und es gäbe keinen Wettbewerb um die jeweils bessere Lösung.

Bittl-Fröhlich ging nochmals auf die reine Bürgerinitiative ein und gab zu bedenken, dass es an ehrenamtlich engagierten Bürgern fehle. Auch bei der Tutzinger Liste e.V. würden mehr „Mitmacher“ dringend benötigt, denn die umfangreiche Arbeit verteile sich nur auf wenige Schultern. Ein Gast, der extra aus München angereist war, da ihn das Konzept des bürgerschaftlichen Gestaltungsengagements interessierte, bekräftigte, dass eine reine Bürgerinitiative nur Erfolg hätte, wenn es ein „großer, gewichtiger Verein“ wäre, mit dem sich die etablierten Parteien regelmäßig eng abstimmen (müssten). Vorlíčková ergänzte, dass eine reine Bürgerinitiative nicht automatisch zu mehr Unterstützung im Rathaus führen würde. Jede Initiative, die den Fokus der erforderlichen Handlungen und Entscheidungen auf das Rathaus richte (wie z.B. Leitziele 2030) und nicht auf die Bürger selbst (wie z.B. Klimaneutral 2035) würde sich ebenfalls schwer tun, „offene Rathaustüren einzurennen“.

Bürgerverein muss wichtige Entscheidung treffen – die Tutzinger aber auch

Vorlíčková fasste die Diskussion am Ende pragmatisch zusammen: „Wir müssen uns klar werden, ob wir wieder in den politischen Ring steigen und bei der Kommunalwahl 2026 die Wähler um mindestes 3 Sitze im Gemeinderat bitten oder aus dem Gemeinderat ausscheiden und ein reiner Bürgerverein werden.“

Leider gehört Tutzing nicht zu den Gemeinden, wo Amtsbürgermeister und Gemeinderat Potential und Chance bürgerschaftlichen Gestaltungsengagements erkennen (wollen). Obwohl inzwischen auch Staatsministerien drauf hinweisen, dass die enormen kommunalen Herausforderungen (Finanzen, Klima, Demografische Entwicklung) ohne die Mithilfe der Bürger nicht zu stemmen sind. Würde das Tutzinger Rathaus politisches Ehrenamt fördern, gäbe es diese Diskussion bei der Tutzinger Liste e.V. nicht. Denn sie könnte sich als reiner Bürgerverein beratend einbringen. Eine Änderung der Rathauspolitik zu mehr Hinwendung zum Bürger und dessen Einbeziehung bei wichtigen Themen, wird es unter der Amtsführung von Marlene Greinwald aber nicht geben. Selbst das Schicksal unseres Kustermann-Areals, der Tutzinger Bürgerangelegenheit schlechthin, wird hinter verschlossenen Türen in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt.

Darum müssen sich die Tutzinger Bürger klar darüber werden, wen sie in 2026 in ihren Gemeinderat wählen. Der Bürgerverein hat bewiesen, dass er Tutzinger Sachinteressen in den Vordergrund stellt und eben nicht parteipolitische Machtinteressen. Er bringt selbstbewusst Gegenmeinungen und neue Ideen mittels ausgearbeiteten Konzepten für Tutzing in die Diskussionen ein. Die Tutzinger Liste e.V. bedeutet anpackende Veränderung für Tutzing.  

 

Presse:
Merkur: Tutzinger Liste will mehr Mandate
vorOrt.news: Pro und contra Gemeinderats-Kandidatur

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INFOKASTEN:

Bericht des Vorstands für 2022:

Gemeinderatsmitglied Dr. Behrens-Ramberg berichtete über seine und die Arbeiten des Bürgervereins in 2022. Er erläuterte insbesondere, dass die drei in 2020 und 2021 gestarteten Initiativen des Vereins (ISEK/GEK, vollständige und fristgerechte Erhebung der Zweitwohnungssteuer und Erweiterung des Gehwegs an der Bahnunterführung Heinrich- Vogl-Straße) in 2022 erfolgreich durch die zuständigen Gremien im Gemeinderat zum Abschluss gebracht wurden (außer dem GEK, dessen Realisierung noch im Rahmen des ISEK diskutiert wird). Details aller Arbeiten, Handlungen und Berichte aus der Tätigkeit des Vereins in 2022 können Sie hier nachlesen: https://www.tutzinger-liste.de/ueber-uns/was-wir-tun/

 

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